In der Bundesrepublik Deutschland vollzieht sich der digitale Wandel. Dieser soll eine bessere Zusammenarbeit und damit wirtschaftliche Erfolge bewirken, aber z.B. auch zu mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beitragen. Grundlage hierfür sind leistungsfähige Breitbandnetze, welche allen Bürgern, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen müssen. Der Ausbau der Netze obliegt den Infrastrukturinhabern und Nutzungsnachfragern.
Um den Ausbau von Netzen zu beschleunigen und die mit dem Ausbau von Netzen verbundenen Kosten zu senken, wurde seitens der Europäischen Union die Kostensenkungsrichtlinie verabschiedet, welche auf deutscher Ebene in das DigiNetzG mündete. Seit 2017 besteht die nationale Streitbeilegungsstelle als Beschlusskammer 11 bei der Bundesnetzagentur und führt auf Antrag die in § 149 TKG benannten Streitbeilegungsverfahren durch. Zielsetzung ist es, Synergien bei Bauarbeiten durch Mitverlegung oder bei bereits bestehenden Infrastrukturen durch Mitnutzung zu heben, die Kosten des Breitbandausbaus zu senken und somit einen schnelleren, kostengünstigeren und letztlich auch nachhaltigeren Aufbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze voranzutreiben. Dabei wurden nunmehr weitere europäische Zielsetzungen zum Ausbau von digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen durch die Novellierung des TKG ergänzt und der Zuständigkeitskatalog der Beschlusskammer 11 etwa um Konflikte zum Open Access im geförderten Breitbandausbau erweitert.
Allein die Tiefbaukosten machen mit circa 80 Prozent den Großteil der notwendigen Investitionen für eine Erschließung der Bundesrepublik Deutschland mit Glasfasernetzen aus. Möglichkeiten, die mit den Investitionen verbundenen (Bau-)Kosten zu reduzieren, bieten daher beispielsweise die Mitnutzung bereits vorhandener Netzinfrastrukturen, die Mitverlegung neuer Infrastrukturen bei ohnehin anstehenden Baumaßnahmen, eine Mitnutzung von in Gebäuden vorhandener Infrastruktur sowie eine Mitnutzung sonstiger physischer Infrastruktur (z.B. Bus- und Straßenbahnhaltestellen oder Verkehrsschilder) für drahtlose Zugangspunkte mit geringer Reichweite (sog. Small Cells). Die hierdurch genutzten Synergien führen zu erheblichen Kosteneinsparungen beim Netzausbau und auch zu dessen Beschleunigung. Diese Ziele sollen auch durch einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Telekommunikationslinien oder Telekommunikationsnetzen zu fairen und angemessenen Bedingungen erreicht werden, zu dem Subventionsempfänger beihilferechtlich verpflichtet sind.
Ergänzt werden diese gesetzlichen Regelungen durch Informationspflichten der Versorgungsnetzbetreiber zu passiven Netzinfrastrukturen (z.B. Leerrohre oder Masten), Bauarbeiten an öffentlichen Versorgungsnetzen und über sonstige physische Infrastrukturen für drahtlose Zugangspunkte mit geringer Reichweite. Des Weiteren können Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze bei Eigentümern oder Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze eine Vor-Ort-Untersuchung der passiven Netzinfrastrukturen beantragen.
Die Verhandlungen über Informationsansprüche, Mitnutzungen, Mitverlegungen sowie deren Bedingungen sind zunächst Sache der Nutzungsnachfrager und Infrastrukturinhaber.
Sofern sich diese nicht über das Ob oder Bedingungen einigen können, kann jede der beteiligten Parteien ein Streitbeilegungsverfahren bei der nationalen Streitbeilegungsstelle der Bundesnetzagentur beantragen. Diese prüft den Sachverhalt, vermittelt zwischen den Parteien und ordnet unter Umständen einen Vertrag mit fairen und angemessenen Bedingungen (einschließlich Entgelten) für die Mitnutzung beziehungsweise Mitverlegung an.
Bei den folgenden Verfahren ist gemäß § 149 TKG eine Streitbeilegung möglich:
Antragsberechtigt sind
- Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Versorgungsnetze oder sonstiger physischer Infrastrukturen,
- Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze,
- Eigentümer oder Betreiber öffentlich geförderter Telekommunikationsnetze und -linien,
- Verfügungsberechtigte über Netzinfrastrukturen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes,
- Betreiber einer nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TKG errichteten Netzinfrastruktur.
Darüber hinaus kann die Bundesnetzagentur Anordnungen bzgl. der Berechtigung zur Mitnutzung und zur Nutzung öffentlicher Wege und bei Beeinträchtigung von Grundstücken treffen. Voraussetzung ist, dass durch die Ausübung des Wegerechts für die Verlegung weiterer Telekommunikationslinien Belange des Umweltschutzes, der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit oder der Städteplanung und Raumordnung beeinträchtigt werden.
Das Streitbeilegungsverfahren
Das Streitbeilegungsverfahren wird als Beschlusskammerverfahren geführt. Entsprechend entscheidet die Beschlusskammer 11 in einem gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahren in der Besetzung mit einer Vorsitzenden oder einem Vorsitzenden und zwei beisitzenden Mitgliedern. An einem solchen Verfahren sind neben dem Antragsteller und dem Antragsgegner (Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Versorgungsnetze oder sonstiger physischer Infrastruktur, Verfügungsberechtigte über Netzinfrastrukturen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und Betreiber einer nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TKG errichteten Netzinfrastruktur) auch Beigeladene (Personen und Personenvereinigungen), deren Interessen durch die Entscheidung berührt werden, zu beteiligen. Bei einer Inanspruchnahme von Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist auch die zuständige Eisenbahnaufsichtsbehörde einzubinden. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem findet grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, auf deren Grundlage die Beschlusskammer ihre Entscheidung trifft. Die Entscheidung ergeht durch Verwaltungsakt und wird - unter Wahrung der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beteiligten - veröffentlicht.
Auch während eines laufenden Streitbeilegungsverfahrens besteht weiterhin die Möglichkeit, dass die Parteien miteinander verhandeln und sich außerhalb des Verfahrens einigen. Die laufenden Verfahrensfristen können zu diesem Zweck unterbrochen werden.
Die Dauer der Streitbeilegungsverfahren beträgt, ab Eingang des vollständigen Antrags, in Verfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 1 und 5 TKG vier Monate und in den Verfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und 6 TKG zwei Monate. Bei außergewöhnlichen Umständen können die Verfahren um bis zu zwei Monate verlängert werden.