Spannungshaltung in Netzen („Blindleistung“)
Unter der Systemdienstleistung zur Spannungsregelung nach § 12h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnWG ist die Fähigkeit zu verstehen, Blindleistung zu erbringen. Die Bereitstellung von Blindleistung durch einen Anbieter dient dem Zweck der Spannungshaltung im Netz des relevanten Netzbetreibers.
Vereinfacht dargestellt ist Blindleistung die Leistung, die im Wechselstromnetz benötigt wird, um die elektrischen und magnetischen Felder, die die Stromleiter (z.B. Leitungen, Transformatoren, Schaltanlagen) in einem Wechselstromnetz umgeben, auf- und abzubauen. Der Auf- und Abbau der elektrischen und magnetischen Felder erfolgt dabei periodisch mit der Netzfrequenz 50-mal pro Sekunde. In einem Wechselstromnetz ist die Blindleistung eine unvermeidbare Begleiterscheinung des eigentlich bezweckten Transports von Wirkleistung zwischen Erzeugern und Lasten (Verbrauchern).
Bildlich gesprochen „pendelt“ Blindleistung zwischen Erzeugern und Verbrauchern hin und her, kann jedoch dem Stromnetz nicht zu Verbrauchszwecken entnommen werden. Blindleistung beeinflusst auch die Höhe der Spannung. Sie wird daher zum Zweck der Spannungshaltung auch gezielt von den Netzbetreibern eingesetzt. Die Spannung ist vereinfacht dargestellt gleichsam der „Druck“, welcher benötigt wird, um den Stromfluss auf einer Leitung in Bewegung zu setzen. Je höher die Spannung ist, desto höher ist ceteris paribus der Stromfluss.
Beim Stromtransport über große Distanzen kommt es jedoch aufgrund der zwar geringen, aber unvermeidbaren Leitungswiderstände zum Abfall der Netzspannung. Auch die Stromentnahme eines Verbrauchers senkt die Spannung. Einspeisungen hingegen erhöhen die Spannung. Ungeachtet dieser Einflüsse muss sich die Spannung in einem Stromnetz zu jedem Zeitpunkt in einem vorgeschriebenen festen Bereich bewegen, dem sog. Spannungsband. Nur wenn sich die Spannung innerhalb dieses Bandes bewegt, funktioniert der Stromtransport über die Netze sicher und störungsfrei. Aber auch Produktionsprozesse in vielen Industrieunternehmen können durch eine zu niedrige bzw. zu hohe Spannung gestört werden – bis hin zu Schäden an den Industrieanlagen. Damit Spannungsschwankungen die vorgeschriebenen Spannungsbänder nicht überschreiten, wird zur Spannungshaltung Blindleistung eingesetzt.
Der Bedarf an Blindleistung wird maßgeblich durch die technische Ausführung des Netzes beeinflusst. Mögliche Einflussfaktoren sind beispielsweise die Transporttechnologie, d.h. ob das Netz vorwiegend aus Erdkabeln oder aus Freileitungen besteht, die Netztopologie (bspw. Anzahl der Netzknoten, Vermaschungsgrad) und die Netzdimensionierung. Auch die Netzauslastung durch die Höhe des Stromflusses beeinflusst den Bedarf an Blindleistung. Lokal und regional wird der Blindleistungsbedarf zudem maßgeblich von der Einspeisung aus dezentralen Erzeugungsanlagen bestimmt.
Die technischen Regeln des VDE-FNN für den Anschluss von Kundenanlagen (TAR) enthalten die Vorgaben zur Bereitstellung von Blindleistung. Diese Vorgaben betreffen Erzeugungsanlagen. Die Kompensation der Spannungsanhebung bei der Einspeisung von Wirkleistung im Wege einer gleichzeitigen Bereitstellung von spannungssenkender Blindleistung wird häufig auch als „Kehrpflicht“ bezeichnet – also ein entschädigungsloser Beitrag zum sicheren Netzbetrieb, den jeder Anschlussnutzer zu erbringen hat. Die Netzbetreiber geben die Verfahren an Erzeugungsanlagen zur Blindleistungsbereitstellung gemäß TAR vor und machen sie im Wege ihrer technischen Anschlussbedingungen (TAB) zum Bestandteil der individuellen Netzanschlussverträge mit den an ihr Netz angeschlossenen Anlagen.
Festlegung zu den Spezifikationen und technischen Anforderungen
Mit der Festlegung vom 25.06.2024 hat die Beschlusskammer 6 zu den Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Dienstleistungen zur Spannungsregelung“ („Blindleistung“) durch die deutschen regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber und Verteilernetzbetreiber, welche ein Hochspannungsnetz betreiben, und zur Ausnahme der Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Spannungsebenen Niederspannung und Mittelspannung von der Verpflichtung zur marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Dienstleistungen zur Spannungsregelung“ („Blindleistung“) eine Entscheidung getroffen.
Festlegung volatiler Kosten
Mit Blick auf die damit verbundenen Kosten hat die Beschlusskammer 8 am 09.10.2024 eine Festlegung volatiler Kosten zur Berücksichtigung von Kosten aus der marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Dienstleistungen zur Spannungsregelung“ (Blindleistung) in der vierten Regulierungsperiode getroffen.
Stand: 16.12.2024