„Die Akte Tulpenfeld“ – Entstehung eines Podcasts
Ein Insider-Bericht
Ich bin nicht nur eine der Autorinnen dieses Blogs, sondern auch noch eine der beiden Hosts der „Akte Tulpenfeld“. In dieser Doppelrolle kann ich diese Frage hier gut klären.
Die Entstehung des Podcasts führt zwei Jahre zurück. Nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine geriet Deutschland an den Rand einer Gaskrise. Wirtschaft und Bevölkerung waren verunsichert. Würde das Gas reichen, unsere Häuser zu wärmen? Würde die Industrie in Bedrängnis geraten? Wer soll noch Gas bekommen, wenn es zu wenig davon gibt?
Der Bundesnetzagentur kam damals eine besondere Rolle zu. Als Bundeslastverteiler hätte sie über diese letzte Frage entschieden. Präsident Klaus Müller appellierte täglich an die Bevölkerung, Gas zu sparen. Die Medien rissen sich um seine Einschätzung der Lage. Auch die Pressestelle hatte alle Hände voll zu tun, die vielen Presseanfragen zu bewältigen, den Gas-Lagebericht täglich zu aktualisieren und so schnell wie möglich belastbare Informationen zu beschaffen.
Der Effekt war: Die Regulierungsbehörde genoss plötzlich eine hohe Aufmerksamkeit. Man kannte den Namen „Bundesnetzagentur“, wusste, wer Klaus Müller ist. Das wollten wir nutzen. Unser Gedanke: Wenn wir einen eigenen Podcast haben, können wir auch die anderen Themen einem großen Publikum vermitteln.
Diese Behörde hat so viel mehr Aufgaben als Gas. Und alle betreffen die Menschen in ihrem Alltag. Wann kommt der Netzausbau in Gang? Warum braucht die Post jetzt länger? Was hat die Netzagentur mit der Regulierung Digitaler Dienste zu tun? Wie hilft sie, wenn die Belästigungen durch unerlaubte Telefonwerbung überhandnehmen? Warum gibt es in der einen Straße schon Glasfaser und in der anderen nicht?
Warum denn dieser Name?
Schon beim ersten Brainstorming war klar: Wir könnten Folgen bis in alle Ewigkeit produzieren; die Themen würden nicht ausgehen. Auch das Format stand uns klar vor Augen: Wir würden auf die Expertise im Haus zurückgreifen, also Gäste unter unseren Kolleginnen und Kollegen auswählen, um mit ihnen ein Thema zu vertiefen.
Als Zielgruppe sahen wir Menschen mit einem gewissen Grundinteresse an Netz-Themen, die aber nicht über Vorwissen verfügen müssen. Wir wollten kein Format für Fachleute. Unser erster Anspruch war eine verständliche Vermittlung auch schwieriger Themen. Wir wollten mit Missverständnissen und Halbwahrheiten aufräumen. Fachbegriffe klären, die oft leichtfertig verwendet werden. Fragen stellen, die auch unsere Nachbarin stellen könnte.
Podcasts erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Ein Grund: Zuhören kann man fast in jeder Situation. Und während man Informationen aufnimmt, auch noch die Spülmaschine ausräumen, kochen, die Wartezeit am Bahnhof verkürzen, einschlafen oder joggen. Auf diese Erfolgswelle wollten wir aufspringen.
Mein Kollege Matthias Podolski und ich haben beide einen journalistischen Hintergrund. Wir trauten uns diese Aufgabe zu und hatten richtig Lust dazu. Noch bevor wir uns daran machten, die notwendige Technik zu beschaffen, suchten wir nach einem Titel für unser neues Projekt. Erst mit einem Namen, so unser Gefühl, würde aus „einem“ Podcast „unser“ Podcast werden.
Wir sammelten Vorschläge und diskutierten fieberhaft. Schließlich wurde es „Die Akte Tulpenfeld“. Tulpenfeld 4 in Bonn ist unsere Adresse und hat einen schönen Klang. Es lässt an Frühling, Farben und Frische denken. Im Gegensatz dazu die Akte, die gemeinhin als verstaubt, bürokratisch und grau wahrgenommen wird.
Als Mitarbeitende in einer Behörde sei es uns gestattet, selbstironisch auf dieses Klischee zu blicken. Selbstverständlich sind wir längst bei der elektronischen Akte angekommen, sonst könnten wir nicht selbstbewusst damit spielen. Außerdem verspricht das Wort „Akte“, dass wir eine solche öffnen. Wir legen etwas offen, verschaffen einen Zugang. Und das wollen wir in jeder Folge
Emsige Vorbereitungen
Inzwischen war das Jahr 2023 schon weit fortgeschritten. Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Pressestelle hatten wir für unsere Zwecke eingebunden. Wir brauchten eine ansprechende Grafik für das Cover, dafür wiederum Fotos von uns beiden Hosts. Ein Kollege experimentierte mit Sounds. Das Intro sollte dezent sein, aber auch frisch, dazu einen hohen Wiedererkennungswert haben
Wir wollten eine ausgebildete Sprecherin mit einer angenehmen Stimme, die unserem Podcast einen professionellen Anstrich verleihen sollte. Zum Glück kannte Matthias eine solche. Sie war sofort bereit, Teil des Teams zu werden. Wir informierten uns über die Technik, lasen Kundenbewertungen und Fachartikel. Mikrofone, Kopfhörer, Popschutz, Recorder – all das sollte von hoher Qualität sein.
Die Spannung stieg, die Vorfreude auch. Gleichzeitig hatten wir keine Ahnung, ob unser Konzept aufgehen würde. Würden wir uns dauernd ins Wort fallen? Den Faden verlieren? Die Gesprächsführung aus der Hand geben? Peinliche Wissenslücken offenbaren? Wir mussten üben. In zwei Probefolgen unter Laborbedingungen mussten Kollegen als Versuchskaninchen herhalten.
Uns wurde bewusst, dass wir vor allem viel in die Vorbereitung eines Skripts investieren müssen. Fragen müssen beantwortet, Themenblöcke sortiert werden. Wir würden Elemente brauchen, um den fachlichen Teil aufzulockern. Eine kleine Pause fürs Gehirn. Der „Steckbrief“ wurde geboren. Über die Fragen darin mussten wir nicht lang diskutieren. Die „Lieblings-Behördenabkürzung“ ist unser Geheimfavorit. GabiGas, PudelV oder WasABisind einfach zu schön, um sie der Öffentlichkeit vorzuenthalten.
Wohlfühl-Studio
Als der Jahreswechsel 2023/24 hinter uns lag, schickten wir eine E-Mail an den Mann, der unser erster Gast sein sollte. Dr. Markus Doll erschien uns ideal. Tief im Thema, eloquent, sympathisch und – besonderes Schmankerl – mit einem charmanten Dialekt ausgestattet. Dieser Hauch von Pfalz vor unserem Mikro würde unserer ersten Folge gleich das richtige Maß an Individualität verleihen, so unser Kalkül. Er sagte zu. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Es begann das, was wir inzwischen als übliches Vorgehen bezeichnen können. Wir trafen uns zu dritt zu einem Vorgespräch, setzten Schwerpunkte, überlegten uns Botschaften oder wie wir uns kritischen Fragen nähern. Anschließend brüteten wir über dem Skript. Es sollte nichts auslassen, dennoch genug Raum für spontane Reaktionen und Nachfragen geben.
Bis zum Aufnahmetermin blieben uns noch ein paar Tage, das neue Studio einzurichten. Im Haus hatte sich herumgesprochen, dass wir einen Podcast planten. Viele warteten gespannt oder boten ihre Unterstützung an. Deshalb bekamen wir sehr unkompliziert und ganz ohne Antrag und Durchschlag drei hübsche kleine Sessel, einen Glastisch und zwei Akustik-Paneele geliefert. Der Soundcheck ergab, dass letztere jeglichen Schall schlucken. Unsere Stimmen würden glasklar zu hören sein.
Vorhang auf: Die Premiere
„Wir sprechen heute über Strom, Versorgungssicherheit und Blackouts – und was die Bundesnetzagentur damit zu tun hat. Bei uns zu Gast im Tulpenfeld-Hochhaus in Bonn ist Dr. Markus Doll. Willkommen!“ Das waren sie also. Die ersten Worte unseres Podcasts. Wir hatten es geschafft.
Markus machte seine Sache sehr gut. Matthias verkroch sich vor seinen Rechner und machte sich an die Post-Produktion. Er schnitt viele „Ähs“ raus – überwiegend meine – kürzte, wo es redundant wurde, bearbeitete die Lautstärke und pegelte aus. Viel Arbeit. Heraus kamen knapp 37 Minuten Sendezeit. Markus gab sie frei. Wir klickten auf „Veröffentlichen“ und warteten gespannt. Als unser Cover auf dem ersten Kanal auftauchte, kam tatsächlich so etwas wie Feierlaune auf – obwohl wir noch gar nicht wussten, wie „Die Akte Tulpenfeld“ bei den Leuten ankommen würde. Für den Moment war das nicht wichtig. Nach so vielen Monaten Vorbereitung hatten wir endlich ein Ergebnis. Das war schön.
Nach einigen Tagen meldete uns die Statistik des Hosting-Services die Abrufzahlen. Damit konnten wir sehr zufrieden sein. Nach und nach erreichten uns auch die ersten Rückmeldungen. Wir freuten uns über die Glückwünsche und das Lob, nahmen die Kritik ernst und überlegten, was davon wir für die kommenden Folgen umsetzen wollten (Schmähbriefe, Drohungen und Beleidigungen landeten zum Glück nicht in unserem Postfach). Kurz: Wir ernteten.
Doch nicht allzu lang. Schnell merkten wir, dass nach der Folge vor der Folge ist. Es wäre übertrieben zu behaupten, wir seien bei der zweiten Folge routiniert vorgegangen. Aber wir fühlten uns sicherer. Es hatte schon einmal geklappt. Offen gestanden ist Routine auch gar nicht unser Ziel. Auf das Herzklopfen vor der Aufnahme möchten wir auch bei Folge 1.000 nicht verzichten.