Indikatorenstudie
Der Telekommunikationssektor spielt als entscheidender Enabler aller Digitalisierungs- und Vernetzungsprozesse eine bedeutsame Rolle für das Gelingen der Transformation hin zu einer nachhaltigen und digitalen Wirtschaft und Gesellschaft (sog. „Twin Transition“). Im Idealfall gehen dabei digitale Innovationen und ihre nachhaltige Ausgestaltung Hand in Hand. Allerdings kann digitaler Fortschritt auch mit steigenden Belastungen für das Klima und die Umwelt einhergehen, beispielsweise infolge eines zusätzlichen Energie- und Ressourcenverbrauchs (beispielsweise infolge sog. Rebound-Effekte). Für die Bewertung der ökologischen Auswirkungen sowohl von ganzen Wirtschaftssektoren als auch von einzelnen Geschäftsmodellen ist es entscheidend, dass geeignete Analysewerkzeuge für eine quantitative und qualitative Beurteilung zur Verfügung stehen.
Forschungsvorhaben
Vor diesem Hintergrund ergeben sich auch im Telekommunikationssektor zunehmend Fragestellungen, deren Beantwortung eine Messung der ökologischen Nachhaltigkeit mittels geeigneter Indikatoren erfordert. Die Bundesnetzagentur hat deshalb ein entsprechendes Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben:
Auftragnehmer: Ramboll Management Consulting GmbH und WIK Consult GmbH
Bearbeitungszeitraum: 09/2022 bis 02/2023
Ziel der Studie ist es, belastbare Erkenntnisse über die am besten geeigneten Indikatoren für die Messung von Umweltauswirkungen der elektronischen Telekommunikationsinfrastruktur über den gesamten Lebenszyklus zu gewinnen. Basierend auf einer ausführlichen Literaturrecherche wurden verschiedene Indikatoren identifiziert, die grundsätzlich dazu geeignet sind, die ökologischen Auswirkungen der Telekommunikationsinfrastruktur, gemessen an den europäischen Nachhaltigkeitszielen zu bewerten.
Studieninhalte und Erkenntnisse
Im ersten Schritt erfolgte eine breit angelegte Analyse und Auswertung von bestehenden Studien und Gutachten, die eine Indikatoren-gestützte Beurteilung der ökologischen Nachhaltigkeit von elektronischer Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen. Die identifizierten Indikatoren wurden dabei zunächst auf ihre grundsätzliche Eignung geprüft und den sechs Klima- und Umweltzielen der EU-Taxonomie zugeordnet (Klimaschutz, Anpassung Klimawandel, Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme). Dabei wurde der gesamte Lebenszyklus der Infrastruktur in den Blick genommen.
Im zweiten Schritt wurde ein anwendungsorientiertes, technologieoffenes Indikatoren-Set zur gesamtwirtschaftlichen Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit von Telekommunikationsinfrastruktur entwickelt. Die methodische Systematisierung erfolgte in drei Schritten anhand eines quantitativen Bewertungsschemas: (1) Prüfung der Relevanz für die relevanten ökologischen Nachhaltigkeitsziele, (2) Inhaltliche und operative Bewertung der Indikatoren sowie (3) Experteneinschätzung hinsichtlich Übertragbarkeit und Nutzen für mögliche Anwendungsfälle im Telekommunikationssektor. Die operative Bewertung der Indikatoren wurde dabei unter Berücksichtigung anwendungsorientierter Aspekte, wie beispielsweise der Datenverfügbarkeit oder des erforderlichen Datenbedarfs durchgeführt. Alle grundsätzlich geeigneten Indikatoren wurden hinsichtlich Operationalisierbarkeit, Aussagekraft, Vergleichbarkeit und möglicher Limitationen von einem Expertenteam einer abschließenden Bewertung unterzogen.
Im Ergebnis ist ein Indikatorenset für die Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit der Telekommunikationsstruktur entstanden, welches sich aus 9 Kernindikatoren und 11 erweiterten Indikatoren zusammensetzt sowie Empfehlungen für eine flankierende Anwendung von LCA-Indikatoren (Life Cycle Assessment) enthält, die eine ganzheitliche Ökobilanzierung mittels LCIA-Methoden (Life Cycle Impact Assessment) ermöglichen sollen. Dieser „Werkzeugkasten“ bietet eine erste fundierte Grundlage für weitere Diskussionen und Überlegungen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung und die Ausprägung einzelner Indikatoren oder einer Gruppe von Indikatoren maßgeblich von der konkreten Fragestellung und weiteren Parametern (wie beispielsweise der Datenverfügbarkeit) abhängt.
Die gewonnenen Erkenntnisse können potenziell für verschiedene Anwendungsfälle genutzt werden. Beispielsweise können mithilfe der Indikatoren die Auswirkungen der Telekommunikationsinfrastruktur auf bestimmte Nachhaltigkeitsziele sichtbar gemacht werden. Hierbei sind auch Vergleiche verschiedener Technologien denkbar. Daneben können die Indikatoren für Monitoring-Ansätze genutzt werden, um die Transparenz bezogen auf bestimmte Fragestellungen zu erhöhen und Anreize zu setzen, die möglicherweise Verhaltensänderungen bei Unternehmen (z.B. Nachhaltigkeitsperformance) und Verbrauchern (z.B. nachhaltiger Konsum) bewirken können.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern der Bundesnetzagentur eine Diskussionsgrundlage, um ihr Handeln – wo sinnvoll und erforderlich – zukünftig möglicherweise stärker an ökologisch nachhaltigen Kriterien ausrichten zu können. Sie unterstützen die Bundesnetzagentur zudem bei der Beteiligung an der aktuellen nationalen und internationalen Debatte hinsichtlich der Entwicklung methodischer Ansätze zur Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung einer gemeinsamen und harmonisierten Bewertungsmethodik zur Messung des ökologischen Fußabdrucks von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten innerhalb der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich beispielsweise auch die BEREC (Body of European Regulators of Electronic Communications) Arbeitsgruppe „Sustainability“ in den Jahren 2022/2023 intensiv mit einem Arbeitsprozess zu „Sustainability Indicators for Electronic Communications Networks and Services“.
Stand: 10.05.2023