Monitoringbericht 2024 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes
Ausgabejahr 2024
Erscheinungsdatum 27.11.2024
Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben heute den Monitoringbericht 2024 über die Entwicklungen auf den deutschen Strom- und Gasmärkten veröffentlicht. Die enthaltenen Datenanalysen beziehen sich primär auf das Jahr 2023, berücksichtigen jedoch auch relevante Entwicklungen aus dem Jahr 2024.
"Im Jahr 2023 stammte erstmals mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien. Dies ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung. Es gilt nun, das eingeschlagene Tempo beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, dem Netzausbau und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität aufrechtzuerhalten"
, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: "Trotz des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien bleiben die konventionellen Stromerzeugungskapazitäten für eine durchgehende Stromversorgung unverzichtbar. Denn wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sind sie für die Stromversorgung in Deutschland entscheidend. Mit fortschreitenden Kraftwerksabschaltungen gewinnen die verbleibenden konventionellen Kapazitäten für die Deckung der Stromnachfrage zunehmend an Bedeutung. Die Anbieter solcher Kapazitäten verfügen deswegen potenziell über Marktmacht. Daher ist eine eingehende Marktmachtanalyse wichtiger denn je."
Stromerzeugung
Die deutschlandweite Stromerzeugung war 2023 rückläufig. Vornehmlich waren die nachlassende Konjunktur, milde Witterungsverhältnisse, gestiegene Importe aufgrund günstigeren Stroms im Ausland, hohe Primärenergiepreise sowie die Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerke dafür verantwortlich. Ein wesentlicher Teil des Rückgangs konnte dabei durch den Anstieg der Erzeugung aus Erneuerbaren Energien ausgeglichen werden. Dabei ist die konventionell erzeugte Strommenge um gut ein Viertel zurückgegangen. Im Jahr 2023 stammte erstmalig mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien. Neben dem Nachfragerückgang leistete hierzu auch der verstärkte Zubau der Erzeugungskapazitäten von solarer Strahlungsenergie und der Windkraft an Land einen Beitrag. Die gesetzlichen Ausbaupfade für Biomasse wurden im Jahr 2023 erreicht. Um die erhöhten Ausbauziele für 2030 zu erreichen, ist allerdings ein noch höherer Zubau insbesondere bei Windanlagen unausweichlich.
Bei der inländischen konventionellen Stromerzeugung haben der gemeinsame Marktanteil der fünf größten Erzeuger und damit die Marktkonzentration im Jahr 2023 zwar erneut abgenommen. RWE ist nach wie vor der mit Abstand führende Anbieter von konventionell erzeugtem Strom. Für die Analyse von Marktmacht im Bereich der Stromerzeugung ist über die Marktanteile hinaus ausschlaggebend, ob und inwieweit ein Anbieter für die Deckung des Strombedarfs unverzichtbar ist (sog. Pivotalität). Denn Strom ist nur sehr begrenzt speicherbar. Konventionelle Kraftwerke eines Betreibers sind insbesondere dann unverzichtbar, wenn bei einer hohen Stromnachfrage die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne gering ist. Das Ausmaß der Unverzichtbarkeit sind die Zeiträume, in denen marktstarke Anbieter im Bereich der konventionellen Stromerzeugung den Marktpreis gezielt erhöhen könnten.
Andreas Mundt: "Bei den Marktmachtverhältnissen im Bereich der Stromerzeugung sehen wir keine Anzeichen für eine Entspannung. Ganz im Gegenteil. Die Kraftwerke von RWE waren im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum zwar in weniger Stunden für die Deckung der Stromnachfrage unverzichtbar, in der Gesamtschau lässt dies aber weiterhin eine marktbeherrschende Stellung vermuten. Wir erwarten außerdem, dass sich das Ausmaß der Unverzichtbarkeit künftig wieder erhöhen dürfte. Aufgrund unserer Analysen gehen wir daher davon aus, dass RWE das kartellrechtliche Missbrauchsverbot beachten muss."
Die Feststellung einer Marktbeherrschung im Sinne des Kartellrechts kann letztlich nur im Rahmen einer konkreten Einzelfallentscheidung erfolgen. Für Stromerzeuger hat eine marktbeherrschende Stellung Konsequenzen für das erlaubte Verhalten im Markt. Insbesondere dürfen sie keine Erzeugungskapazitäten, deren Einsatz wirtschaftlich wäre, gezielt zurückhalten und dadurch den Preis in die Höhe treiben. Ein solches Verhalten wäre vielmehr missbräuchlich und verboten.
Für die Möglichkeit auf diese Weise Marktmacht zu missbrauchen, muss das betreffende Unternehmen die Zeiträume, in denen seine Kraftwerke unverzichtbar sind, auch hinreichend genau vorhersehen können. Denn Stromnachfrage und Stromangebot, auch durch die erneuerbaren Energien, sind kurzfristig gut prognostizierbar, dank ihrer Beeinflussung z.B. durch Tageszeiten, Feiertage, Jahreszeiten oder das Wetter). Die Analysen des Bundeskartellamtes zeigen, dass die Zeiträume, in denen ohne RWE die Stromnachfrage nicht gedeckt werden konnte, von diesem Unternehmen systematisch vorhersehbar sind.
Gasimporte und Gashandel
Rund 91 Prozent der deutschen Gasimporte stammten aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Die restlichen Gasmengen wurden über die schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Lubmin und Mukran importiert. Zusätzlich konnten die Gasspeicher bereits deutlich vor den gesetzlichen Fristen gemäß den Füllstandsvorgaben befüllt werden.
Die Marktkonzentration in Teilen des Gasbereiches ist trotz größerer Verschiebungen auf den Märkten nach wie vor sehr hoch. Dabei stellt die Verfügung über Speicherkapazitäten für die Marktteilnehmer den bislang wichtigsten Parameter für die Analyse von Marktmacht dar. Hier erreichen die drei größten Speicherbetreiber einen gemeinsamen Marktanteil von rund 70 Prozent.
In Anbetracht der großen Verschiebungen auf den Gasmärkten wurde der Gasvertrieb auf der Großhandelsebene wieder mehr in den Fokus genommen und das Monitoring dementsprechend erweitert. In allen betrachteten Bereichen sind Unternehmen mit hohen Anteilen an den jeweiligen Gesamtvolumina tätig; betrachtet man die in den Bereichen jeweils stärksten drei Unternehmen, liegen deren gemeinsame Anteile – zum Teil deutlich – über 50 Prozent.
Strom- und Gasgroßhandel
Im Jahr 2023 war ein deutlicher Preisrückgang an den Strom- und Gasmärkten im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten. So haben sich die Preise auf den Strom- und Gasgroßhandelsmärkten sowohl beim Spot- als auch beim Terminhandel wieder deutlich verringert und verzeichnen im Strombereich teilweise Rückgänge von über 50 Prozent und im Gasbereich von teilweise über 60 Prozent. Dennoch sind die Märkte weiterhin volatiler und das Preisniveau weiterhin höher als vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Endkundenmärkte für Strom und Gas
Für das Jahr 2023 geht das Bundeskartellamt weiterhin davon aus, dass sowohl im Strom- als auch im Gasbereich auf den bundesweiten Märkten für die Belieferung von typischen Industrie- und Gewerbekunden (leistungsgemessene Kunden) sowie für die Belieferung von Haushalts- und Kleingewerbekunden (Kunden mit Standardlastprofil im Rahmen von Sonderverträgen) derzeit kein Anbieter marktbeherrschend ist.
Die Stabilisierung der Energiemärkte in 2023 wirkte sich insbesondere für Strom- und Gaskunden spürbar aus. Haushaltskunden zahlten zum Stichtag 1. April 2024 durchschnittlich 41,59 ct/kWh für Strom. Damit lag der Strompreis etwa acht Prozent unter dem durchschnittlichen Vertragspreis des Vorjahres, als noch die Strompreisbremse in Kraft war, die den tatsächlich gezahlten Preis gegebenenfalls reduziert hatte. Auch hat sich der Preis für Heizstrom, also für Nachtspeicherheizungen und für Wärmepumpen, im Vergleich zu den Vertragspreisen des Vorjahres um rund zwölf bzw. sieben Prozent reduziert. Der durchschnittliche Gaspreis für Haushaltskunden lag zum Stichtag 1. April 2024 bei 12,5 ct/kWh, was einem Rückgang von gut 15 Prozent entspricht – auch hier bezogen auf die vertraglich vereinbarten Preise, die gegebenenfalls durch die Gaspreisbremse gedeckelt wurden.
Auch bei den Nicht-Haushaltskunden zeigte sich eine Stabilisierung der Energiepreise. So zahlten Industriekunden für Strom rund 13 Prozent und für Gas rund 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Für Gewerbekunden sank der Strompreis durchschnittlich um etwa 8 Prozent und der Gaspreis um ca. 14 Prozent. Im weiteren Verlauf des Jahres 2024 haben sich die Preise weiter verringert. Diese Entwicklung ist auf die stark zurückgegangenen Preise im Strom- und Gasgroßhandel zurückzuführen.
"Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Chance Geld zu sparen und nur, wenn sie durch ihre Wechselbereitschaft ihre Marktmacht ausüben, werden auch niedrigere Preise bei ihnen ankommen. Strom- und Gaskunden können für den Lieferanten- oder Vertragswechsel vertrauenswürdige Wechselplattformen oder Angebote der Verbraucherschützer nutzen, um sehr einfach Geld zu sparen"
, erläutert Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
So wechselten im Jahr 2023 gut sechs Millionen Stromkunden den Lieferanten, was einem Anstieg von rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht und zu einem neuen Allzeithoch führte. Beim Gas stieg die Anzahl der Lieferantenwechsel auf 1,8 Millionen. Auch dies entspricht einem neuen Höchststand, nachdem die Zahl im Vorjahr bei 1,15 Millionen Haushaltskunden lag. Etwa drei Millionen Stromkunden bzw. 660.000 Gaskunden haben zudem ihren Vertrag beim bestehenden Lieferanten auf eigenes Betreiben angepasst. Zudem bieten immer mehr Stromlieferanten dynamische Tarife an, die unmittelbar auf die Veränderungen auf den Großhandelsmärkten reagieren.
Bei der Entwicklung der Stromsperrungen zeigt sich ein gemischtes Bild. So wurden 2023 insgesamt gut 200.000 Sperrungen bei Stromkunden gemeldet, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr darstellt. Beim Gas stieg die Anzahl der Sperrungen um 22 Prozent auf rund 28.000.
Der aktuelle Bericht sowie weitere Informationen sind unter www.bundesnetzagentur.de/monitoringberichte veröffentlicht.