Bundesnetzagentur übermittelt Vectoring-Entscheidung an EU-Kommission
Homann: "Chancengleiche und verlässliche Rahmenbedingungen für den Vectoring-Einsatz"
Ausgabejahr 2013
Erscheinungsdatum 09.07.2013
Die Bundesnetzagentur hat heute ihren Entscheidungsvorschlag für die Einführung der Vectoring-Technologie im Netz der Telekom Deutschland GmbH (Telekom) der EU-Kommission und den Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme zugesandt. Zusätzlich zu dem im April veröffentlichten ersten Entscheidungsentwurf wurden darin einige Konkretisierungen aufgenommen. Vorgesehen sind z. B. die Einrichtung einer sog. Vectoring-Liste, die für Chancengleichheit zwischen der Telekom und den Wettbewerbern beim VDSL Ausbau und Vectoring-Einsatz sorgen soll, sowie Regelungen, die zu einer höheren Rechts- und Planungssicherheit bei einem staatlich geförderten Breitbandausbau beitragen.
"Mit dem weiter entwickelten Vorschlag halten wir am Leitgedanken, nämlich Vectoring allen Marktakteuren zu ermöglichen und so den Breitbandausbau im Wettbewerb voranzutreiben, fest und präzisieren ihn. Wir haben uns mit den im Rahmen des öffentlichen Kommentierungsverfahrens zahlreich eingegangenen Stellungnahmen intensiv befasst. Zahlreiche konstruktive Vorschläge der Marktakteure wurden aufgegriffen und in den aktuellen Entscheidungsentwurf eingearbeitet. Wir verfügen nun über ein stimmiges und ausgewogenes Gesamtergebnis, das allen investitionswilligen Unternehmen chancengleiche und verlässliche Rahmenbedingungen für den Aus- und Aufbau von modernen TK-Netzen, insbesondere auch in ländlichen Gebieten, bietet"
, erklärte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.
Im Vergleich zum ursprünglichen Entscheidungsvorschlag sind folgende wesentliche Neuregelungen aufgenommen worden: Die Telekom darf einem Wettbewerber den Zugang zur "letzten Meile", der Teilnehmeranschlussleitung (TAL), an einem Kabelverzweiger (KVz) – das sind die grauen Kästen am Straßenrand – nicht verweigern bzw. kündigen, wenn der Wettbewerber eine staatliche Förderung, die er für den Breitbandausbau an diesem KVz erhalten hat, ganz oder teilweise zurückzahlen müsste. Zudem ist ein erweiterter Bestandsschutz zugunsten der Wettbewerber vorgesehen. Sie müssen auch dann nicht ohne Weiteres mit einer Rückholung eines bereits von ihnen erschlossenen KVz durch die Telekom rechnen, wenn sich im Einzugsbereich dieses KVz erst anschließend eine parallele Festnetzinfrastruktur etabliert, an die 75 Prozent der Gebäude angeschlossen sind. Ebenso genießen Wettbewerber einen erweiterten Bestandsschutz, wenn sie im Zeitpunkt der endgültigen Regulierungsentscheidung einen KVz zwar noch nicht ausgebaut, dafür aber bereits eine verbindliche Bestellung bei der Telekom abgegeben haben.
Ein nach Maßgabe und unter Aufsicht der Bundesnetzagentur zu führendes Vectoring-Register, sog. Vectoring-Liste, soll allen Marktakteuren – Telekom und Wettbewerbern – Rechtssicherheit und Chancengleichheit für den Einsatz von Vectoring geben. In diesem Register soll der jeweils innerhalb eines Jahres beabsichtigte und dann tatsächlich erfolgte VDSL-Ausbau bzw. Vectoring Einsatz zuverlässig dokumentiert werden. Die Regelungen zur "Vectoring-Liste" sehen ferner umfassende Informations- und Eingriffsrechte der Bundesnetzagentur vor, um Missbrauch zu verhindern.
Im Entscheidungsentwurf wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Detailregelungen für den Vectoring-Einsatz – insbesondere konkrete Sanktionen bei missbräuchlichen Reservierungen von KVz, beim Nicht-Ausbau zuvor reservierter KVz und bei der Nichtverfügbarkeit eines im Rahmen eines offenen Netzzugangs (Open Access) ersatzweise anzubietenden Bitstrom Produkts – noch in einem sog. Standardangebot von der Bundesnetzagentur festgelegt werden müssen. Im Sinne einer besseren Vorhersehbarkeit und Planbarkeit für alle Marktakteure enthält die Begründung der Vectoring-Entscheidung allerdings bereits zahlreiche Hinweise darauf, welche Einzelregelungen und Sanktionierungen in einem solchen Mustervertrag enthalten sein sollten.
Mit dem Vectoring-Verfahren sind im heute bestehenden kupferbasierten Teilnehmeranschlussnetz höhere Übertragungsraten möglich, als dies bisher bei der schon fortgeschrittenen VDSL-Technik der Fall ist. Durch das Vectoring wird die gegenseitige Störung aus benachbarten Kupferdoppeladern eines Kabels reduziert. Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist dafür allerdings nur der Zugriff eines einzigen Unternehmens auf alle Kupfer-Doppeladern am KVz möglich, ein entbündelter Zugriff damit – sofern es um den Einsatz von VDSL-Technik geht – aber nicht mehr.
Die Telekom hatte Ende letzten Jahres bei der Bundesnetzagentur beantragt, die Zugangsmöglichkeiten für Wettbewerber zur "letzten Meile" an den KVz einzuschränken, um Vectoring in ihrem Netz einsetzen zu können. Am 9. April hatte die Bundesnetzagentur einen ersten Entscheidungsentwurf für die Einführung der Vectoring-Technologie im Netz der Telekom zur Kommentierung veröffentlicht. Danach muss die Telekom ihren Wettbewerbern auch künftig grundsätzlich den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am KVz gewähren. Die Telekom kann den Zugang zur "letzten Meile" am KVz aber unter besonderen Bedingungen verweigern, damit sie selbst oder ein anderes Unternehmen dort Vectoring einsetzen kann. Alle Marktakteure können daher auf der Grundlage des Vorschlags auch in Zukunft KVz mit Glasfaser erschließen und Vectoring nutzen. Sie müssen dann jedoch im Rahmen eines offenen Netzzugangs ein angemessenes Bitstromprodukt anbieten – dies betrifft sowohl die Telekom als auch die Wettbewerber. Im Rahmen des nationalen Konsultationsverfahrens nutzten zahlreiche Marktteilnehmer die Gelegenheit, den Entscheidungsentwurf sorgfältig zu prüfen und zu kommentieren.
Die EU-Kommission und die nationalen Regulierungsbehörden der übrigen EU Mitgliedstaaten können nun innerhalb eines Monats Stellungnahmen zum überarbeiteten Entscheidungsentwurf abgeben. Sofern die EU-Kommission keine ernsthaften Bedenken äußert, kann die Entscheidung anschließend endgültig in Kraft treten.