Ana­ly­ti­sches Kos­ten­mo­dell An­schluss­netz – Wei­ter­ent­wick­lung zur Ver­si­on 3.0

Mit Blick auf die Nichtdiskriminierungs- und Kostenrechnungsmethoden-Empfehlung1 (ND&KRM-Empfehlung) der EU-Kommission wurde das Analytische Kostenmodell Anschlussnetz weiterentwickelt. Entsprechend den Vorgaben der Empfehlung dient in diesem Sinne die Weiterentwicklung dazu, teilweise bzw. vollständig aus Glasfaserleitungen bestehende Kommunikationsnetze (NGA) abbildbar zu machen. Zugleich liegt der Fokus der Anwendung des Modells gemäß Empfehlung weiterhin auf der Bestimmung der Entgelte von kupferbasierten Vorleistungsprodukten. Die Ausgestaltung der Weiterentwicklung wurde am 15. Mai 2018 im Rahmen einer Informationsveranstaltung vorgestellt und konnte bis zum 6. Juni 2018 kommentiert werden. Das Kostenmodell wird in verschiedenen Entwicklungsschritten seit 1998 zur Unterstützung der Entgeltregulierung eingesetzt.

Die Ergebnisse aus dem Einsatz des Analytischen Kostenmodells Anschlussnetz fließen direkt in die Entgeltgenehmigungsverfahren der Vorleistungsprodukte des kupferbasierten Anschlussnetzes – die Teilnehmeranschlussleitung ab dem Hauptverteiler (TAL) bzw. ab dem Kabelverzweiger (KVz-TAL), Kabelkanalanlagen (KKA) und die unbeschaltete Glasfaser – ein. Darüber hinaus sind die Ergebnisse ein Bestandteil der nachgelagerten Vorleistungen (z. B. bei Bitstrom-Produkten).

Hierfür ermöglicht das Analytische Kostenmodell Anschlussnetz die Quantifizierung aller relevanten Kosten zum Bau eines Anschlussnetzes. Dabei wird ein sogenannter Bottom-up-Modellierungsansatz verfolgt. Alle notwendigen Bestandteile eines effizienten Anschlussnetzes – ausgehend vom Hausanschluss der Kunden bis hin zum Metropolitan Point of Presence (MPoP) bzw. Hauptverteiler – werden modelliert und bewertet. Den Ausgangspunkt bilden die Verwendung von Geokoordinaten für die Anschlussnachfrage und Hauptverteiler-Standorte sowie ein georeferenziert vorliegendes Straßennetz.

Bisher kann im Modell unmittelbar nur ein rein kupferbasiertes Anschlussnetzes abgebildet bzw. analysiert werden. Mit der Weiterentwicklung können zukünftig auch die spezifischen Eigenschaften und Rahmenbedingungen von teilweise oder ganz aus Glasfaser bestehenden Netzen vollständig berücksichtigt werden. Ein in dieser Art weiterentwickeltes Kostenmodell stellt ein vielseitig einsetzbares Werkzeug dar; losgelöst hiervon, bleibt die Frage der Anwendung des Modells sowie dessen konkrete Parametrisierung den einzelnen Entgeltgenehmigungsverfahren vorbehalten.

Einordnung der Modellweiterentwicklung in den aktuellen Regulierungskontext

Vor dem Hintergrund der sich beschleunigenden Digitalisierung und einer zunehmenden Vernetzung aller Lebensbereiche kommt einer flächendeckenden Versorgung mit hochleistungsfähigen Telekommunikationsinfrastrukturen eine immer zentraler werdende Rolle zu. Da solche zukunftsfähigen Infrastrukturen zunehmend auf Glasfasertechnologien beruhen, sollen diese im modellierten Anschlussnetz künftig auch abbildbar sein.

Im Zusammenhang mit dem Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen bestehen einige zentrale Herausforderungen, die dazu geführt haben, dass in Deutschland bislang eher zögerlich in Glasfasernetze investiert worden ist. So erfolgen die intendierten Glasfaserinvestitionen unter nicht unerheblichen Unsicherheiten: Es kann über die Nachfrageentwicklung im Zeitverlauf, d. h. die Entwicklung von Take-up und Zahlungsbereitschaft der Kunden, keine klare Vorhersage getroffen werden, wodurch keine Sicherheit über Staffelung und Zeithorizont der Amortisation der Investitionen besteht. Hinzu kommen regionale Risikospezifika wie z. B. Unterschiede in Bezug auf die Kosten und die Wettbewerbssituation.

Um diese Aspekte marktkonform adressieren zu können, bedarf es einer Form der Regulierung, die den investierenden Unternehmen ausreichende Flexibilität in der Preissetzung gewährt. Das Erfordernis der zusätzlichen Preissetzungsflexibilität im Kontext des Ausbaus neuer hochleistungsfähiger Infrastrukturen betont auch die ND&KRM-Empfehlung; mit Blick auf die bestehenden Nachfrageunsicherheiten stelle diese für die Unternehmen eine Möglichkeit dar, die sukzessive wachsende Zahlungsbereitschaft der Nutzer flexibel zu adressieren und die Marktdurchdringung zu erleichtern.2

Um zusätzliche Freiheitsgrade zu schaffen, kann gemäß der ND&KRM-Empfehlung statt einer kostenorientierten Entgeltregulierung ein wirtschaftlicher Replizierbarkeitstest (ERT) zur Anwendung kommen. Hierbei orientieren sich die Vorleistungspreise der Zugangsprodukte an den sich – entsprechend den Zahlungsbereitschaften und Wettbewerbsverhältnissen – am Markt bildenden Endkundenpreisen. Voraussetzung für ein Absehen von einer kostenorientierten Entgeltregulierung zugunsten des ERT ist gemäß Ziffern 48 und 49, dass ein wettbewerblicher Druck auf die Endkundenpreise wirkt. Dieser Preisdruck kann entweder vom Infrastrukturwettbewerb oder aber einem Kupferanker, d. h. einem kostenorientiert regulierten kupferbasierten Vorleistungsprodukt, ausgehen.

In der ND&KRM-Empfehlung wird daher als Anforderung an die Kostenmodellierung formuliert, dass diese – nicht zuletzt aufgrund der Effizienzanforderung – auf einem modernen NGA-Netz basiert, zugleich aber stabile Kupferpreise hervorbringen soll, die als beschriebener Kupferanker für NGA-Dienste dienen können.3

Dabei ist aus Sicht der Kommission im modelltechnischen Vorgehen insbesondere zu vermeiden, dass es zu einem Anstieg der pro Kupferanschluss anfallenden Kosten aufgrund einer rückläufigen Nutzung bzw. Anzahl von Kupferleitungen durch die sukzessive Migration von Kupfer- zu NGA-Anschlüssen kommt. Die Empfehlung stellt darüber hinaus explizit klar, dass die Modellierung allein des NGA-Netzes keine Indikation dafür darstellt, dass Entgeltverpflichtungen für NGA-Vorleistungen auferlegt werden.4 In diesem Sinne sollen auch die erweiterten Modellfähigkeiten regulatorische Entgeltentscheidungen in keiner Weise präjudizieren.

Vor dem Hintergrund der ND&KRM-Empfehlung ist somit hinsichtlich der Weiterentwicklung des Analytischen Kostenmodells Anschlussnetz sicherzustellen, dass modellierungstechnisch zum einen eine moderne, den künftigen Anforderungen entsprechende Glasfaser-Infrastruktur abbildbar ist. Zugleich wird deutlich, dass nach Auffassung der Kommission relevanter „praktischer Anwendungsfall“ die Bestimmung der kupferbasierten Entgelte bleibt; somit ist zum anderen dafür Sorge zu tragen, dass die Ermittlung kupferbasierter Vorleistungsentgelte auf Basis des weiterentwickelten Modells weiterhin sichergestellt ist.

Ergebnisse des Weiterentwicklungsprozesses

Die Implementierung des Analytischen Kostenmodells Anschlussnetz wird in bewährter Weise in einem sogenannten Referenzdokument beschrieben. Das fertige Referenzdokument ist hier abrufbar.

Referenzdokument zum Analytischen Kostenmodell Anschlussnetz 3.0 (pdf / 2 MB)

Der Prozess bis zur Veröffentlichung des fertigen Referenzdokumentes beinhaltete u.a. eine öffentliche Konsultation, eine Informationsveranstaltung und die Auswertung der Stellungnahmen.

Im Rahmen der Konsultation wurde zusammen mit dem Konsultationsentwurf des Referenzdokumentes ein gesondertes Dokument mit gezielten Kommentaraufforderungen an die Marktteilnehmer bereitgestellt.

Konsultationsentwurf des Referenzdokumentes zum Analytischen Kostenmodell Anschlussnetz 3.0 (pdf / 2 MB)

Kommentaraufforderungen zum Konsultationsentwurf des Referenzdokumentes zum Analytischen Kostenmodell Anschlussnetz 3.0 (pdf / 246 KB)

Zu diesen Dokumenten konnte bis zum 6. Juni 2018 Stellung genommen werden.

Zusätzlich zur Veröffentlichung des Konsultationsdokumentes wurde die Ausgestaltung der Weiterentwicklung des Analytischen Kostenmodells Anschlussnetz im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 15. Mai 2018 vorgestellt. Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten der Bundesnetzagentur in Bonn (Tulpenfeld) statt. Es wurden zwei Präsentationen gehalten und die Fragen von Marktteilnehmern beantwortet.

Präsentation Bundesnetzagentur - Informationsveranstaltung 15. Mai 2018 (pdf / 158 KB)

Präsentation WIK-Consult - Informationsveranstaltung 15. Mai 2018 (pdf / 917 KB)

Zum Konsultationsentwurf des Referenzdokumentes zum Analytischen Kostenmodell Anschlussnetz 3.0 und den Kommentaraufforderungen haben sechs Unternehmen Stellung genommen.

Stellungnahme 1&1 Telecom GmbH (pdf / 3 MB)

Stellungnahme 1&1 Versatel GmbH (pdf / 375 KB)

Stellungnahme Deutsche Telekom AG (pdf / 229 KB)

Stellungnahme DNS:NET Internet Service GmbH (pdf / 274 KB)

Stellungnahme DREWAG NETZ GmbH (pdf / 13 KB)

Stellungnahme Vodafone GmbH (pdf / 119 KB)

Die eingegangenen Stellungnahmen wurden ausgewertet und im Einzelnen auf die Relevanz für den konkreten Modellierungsansatz untersucht.

Auswertung der Stellungnahmen zum Konsultationsentwurf des Referenzdokumentes zum Analytischen Kostenmodell Anschlussnetz 3.0 (pdf / 338 KB)

Dokumente zu vorherigen Modellversionen finden sich im Dokumentenarchiv.

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Fußnoten:

1 Empfehlung der Kommission über einheitliche Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und Kostenrechnungsmethoden zur Förderung des Wettbewerbs und zur Verbesserung des Umfelds für Breitbandinvestitionen vom 11. September 2013 (2013/466/EU).

2 ND&KRM-Empfehlung, Erwägungsgrund 49: „Angesichts der derzeitigen Unsicherheit bei der Nachfrage nach sehr leistungsfähigen Breitbanddiensten ist es zur Förderung effizienter Investitionen und Innovationen (…) wichtig, dass Betreiber, die in NGA-Netze investieren, einen gewissen Spielraum bei den Preisen haben, um testen zu können, wie die Preise im Hinblick auf die Marktdurchdringung gestaltet sein müssen. (…) Darüber hinaus ist die Preisflexibilität auf der Vorleistungsebene notwendig, damit sowohl Zugangsinteressenten als auch die Endkundensparte des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Breitbandmarkt den Endkunden differenzierte Preise anbieten können, die es ihnen ermöglichen, besser auf deren Präferenzen einzugehen und die Vermarktung sehr leistungsfähiger Breitbanddienste zu fördern.“

3 ND&KRM-Empfehlung, Erwägungsgrund 25: „(…) Eine solche Kostenrechnungsmethode sollte von einem modernen effizienten Netz ausgehen, zur Vermeidung erheblicher Schwankungen und Schocks die Notwendigkeit dauerhaft stabiler und vorhersehbarer Kupferleitungspreise auf der Vorleistungsebene widerspiegeln, um eine gute Investitionsgrundlage zu bilden, und auf der Vorleistungsebene kostenorientierte Kupferleitungspreise als Kupferanker für NGA-Dienste generieren können (…).“

4 ND&KRM-Empfehlung, Ziffer 31: „Die NRB sollten eine BU-LRIC+-Kostenrechnungsmethode verwenden, um die aktuellen Kosten abzuschätzen, die einem hypothetischen effizienten Betreiber beim Aufbau eines modernen, effizienten NGA-Netzes entstehen würden. Hiervon unberührt bleibt die Frage, ob ein NGA-Netz in dem geografisch relevanten Markt einer Verpflichtung in Bezug auf regulierte Vorleistungszugangsentgelte unterliegt. (…)“

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