Sys­tem­sta­bi­li­tät

Die technische Stabilität des Stromversorgungssystems ist in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau. Zweck des Systemstabilitätsberichts ist es, dieses hohe Niveau im Rahmen der Umsetzung der Energiewende weiterhin sicherzustellen.

Die Bundesnetzagentur hat am 13. Juni 2023 gemäß § 12 Abs. 3b EnWG einen Bericht zur Systemstabilität des deutschen Elektrizitätsversorgungssystems von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern eingefordert, den diese zum 3. Mai 2024 vorgelegt haben.

Hintergrund des Systemstabilitätsberichts

Die Übertragungsnetzbetreiber berichten zu Fragen der stromrichterbasierten Stabilität, zum Bedarf an Momentanreserve und zur Wirksamkeit des europarechtlich vorgeschriebenen Systemschutzplans.

Der Bericht der Übertragungsnetzbetreiber enthält Maßnahmen und Handlungsempfehlungen, die von der Bundesnetzagentur im Kern geteilt werden:

  1. Technische Anforderungen
    Neue Lasten wie Elektrolyseure können bei entsprechender technischer Auslegung, beispielsweise durch eine ausreichende RoCoF-Robustheit, FRT-Fähigkeit, Wirkstromwiederkehr sowie eine netzdienliche Blindleistungseinspeisung einen positiven Beitrag zur Spannungsstabilität des Systems leisten. Aufgrund des geplanten kurzfristigen Hochlaufs von erheblicher Elektrolyseurleistung sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen, z. B. die Technischen Anschlussregeln und -bedingungen, durch das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik und Netzbetreiber e.V.) angepasst werden. Die Bundesnetzagentur begleitet diesen Prozess bereits.
  2. Erweiterte Anforderungen an neu zu errichtende Kraftwerke
    Die Fähigkeit, Kraftwerke als Phasenschieber zu betreiben, kann die Systemstabilität auch dann stützen, wenn das Kraftwerk keine Wirkleistung erzeugt und keine fossilen Brennstoffe verfeuert. Auch eine hinreichend ausgeprägte Resistenz gegenüber Frequenzgradienten ist förderlich. Daher wäre eine Normierung der entsprechenden Anforderungen sinnvoll.
  3. Möglichkeiten zur Umrüstung stillzulegender Kraftwerke zu rotierenden Phasenschiebern
    Anhand einer exemplarischen Sensitivität kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass die Umrüstung stillzulegender Kraftwerke zu rotierenden Phasenschiebern bis zur Inbetriebnahme eigener Betriebsmittel der Netzbetreiber sowie bis zur Bereitstellung von Systemstabilität durch neue Erzeugungsanlagen und Verbraucher einen Beitrag zur Systemstabilität leisten muss. Hierzu ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage erforderlich.

Der Bericht verdeutlicht, dass für den Betrieb eines von erneuerbaren Energien und damit durch Stromrichter dominierten Systems eine technologische Weiterentwicklung erforderlich wird. Dazu gehört die Erprobung und Etablierung von Regelungen für netzbildende Eigenschaften stromrichterbasierter Anlagen. Im Rahmen der europarechtlichen Überarbeitung der Netzkodizes (Novellierung der RFG-Verordnung) beteiligt sich die Bundesnetzagentur an einer solchen Weiterentwicklung technischer Mindestanforderungen in Bezug auf netzbildendes Verhalten („Grid Forming“) stromrichterbasierter Erzeugungsanlagen durch die Europäische Kommission.

Blindleistung, Momentanreserve und netzbildende Eigenschaften

Die Bereitstellung von Blindleistung, Momentanreserve und netzbildenden Eigenschaften sind gemäß des Berichts auch durch Betriebsmittel der Netzbetreiber zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sind schon jetzt Teil der Prüfung des Netzentwicklungsplans. So wurden bereits im aktuellen Netzentwicklungsplan 2023-2037/2045 sowie im zurückliegenden Netzentwicklungsplan 2021-2035 umfangreiche Maßnahmen bestätigt.

Weitere Systembeiträge werden laut des Berichts der Übertragungsnetzbetreiber durch marktgestützte Beschaffung und technische Mindestanforderungen an die Netzanschlussnehmer (sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Erzeugerseite) zu erbringen sein. Das sieht das EnWG heute schon vor. Die Bundesnetzagentur arbeitet bereits an der Umsetzung entsprechender Handlungsempfehlungen. Mittels Festlegungen werden zurzeit Märkte zur Beschaffung von Momentanreserve und Blindleistung implementiert, die Festlegung zur Beschaffung von Schwarzstartfähigkeit ist bereits erfolgt.

In Netzen mit hoher Stromrichterdurchdringung müssen aufgrund der neuen Systemeigenschaften durch die Übertragungsnetzbetreiber die bereits bestehenden Analysemethoden weiterentwickelt werden. Daneben muss die bestehende Datengrundlage zukünftig auf eine noch breitere Basis gestellt werden, insbesondere durch Einbeziehung der Anlagenhersteller, der Verteilernetzbetreiber und benachbarter ausländischer Übertragungsnetze.

Zudem ist es aus Sicht der Bundesnetzagentur wichtig, dass die Maßnahmen des Systemschutzplans – wie seitens der Übertragungsnetzbetreiber geplant - weiterentwickelt und umgesetzt werden. Die kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der sogenannten Letztmaß-nahmen entspricht der in der europarechtlichen Emergency & Restoration-Verordnung angelegten Vorgehensweise.

Ausblick Systemstabilitätsbericht

Aufgrund der zentralen Bedeutung des Themas Systemstabilität, soll der Systemstabilitätsbericht ab 2025 entsprechend des neuen § 12i EnWG die Berichtspflichten der Übertragungsnetzbetreiber zum sicheren und robusten Stromnetzbetrieb im zukünftigen Systemstabilitätsbericht bündeln. Des Weiteren soll ein laufendes Monitoring der Maßnahmen durch die Bundesnetzagentur eingeführt werden.

Der regelmäßige Systemstabilitätsbericht der Übertragungsnetzbetreiber soll ein Baustein zur Umsetzung der am 6. Dezember 2023 beschlossenen Roadmap Systemstabilität der Bundesregierung werden. Als zentrales Ergebnis enthält die Roadmap einen Fahrplan, wie sich ein sicherer und robuster Systembetrieb mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien erreichen lässt. Die Roadmap legt dabei konkrete Maßnahmen und Umsetzungsschritte fest. Das BMWK wird die Umsetzung der Roadmap Systemstabilität eng begleiten.

Veranstaltungen zum Thema Systemstabilität
15. bis 16. Mai 2024
Vertiefung technischer und ökonomische Fragen zur Systemstabilität auf der Göttinger Energietagung
Mastodon