Ermittlung der Netzkosten
An dieser Stelle werden die Grundsätze der Kostenprüfung unter besonderer Berücksichtigung unterschiedlicher Kostenanteile im Ausgangsniveau und der Kapitalverzinsung erläutert. Mit dem Kapitalkostenabzug wird der erste Baustein des eingeführten Kapitalkostenabgleichs für Verteilernetzbetreiber aus der ARegV-Novelle 2016 dargestellt.
- Bestimmung des Ausgangsniveaus
- Kostenprüfung
- Kapitalkostenabzug
- Unterschiedliche Kostenanteile
- Kapitalverzinsung im Basisjahr und innerhalb der Regulierungsperiode
Das Ausgangsniveau wird durch die Kostenprüfung nach Vorgaben der Netzentgeltverordnungen ermittelt. Nicht berücksichtigt werden dabei Kosten, die auf einer Besonderheit des sogenannten Basisjahres beruhen, und solche, die nicht dem Netzbetrieb zuzuordnen sind. Das Basisjahr ist das Geschäftsjahr, das drei Jahre vor Beginn einer Regulierungsperiode liegt. Grundsätzlich werden Kosten des Netzbetriebs nur dann berücksichtigt, wenn sie denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen.
Durch die Novellierung der Anreizregulierungsverordnung ändert sich für Verteilernetzbetreiber (VNB) die Behandlung von Kapitalkosten und Verzinsungen. Mit dem Kapitalkostenaufschlag werden ab Beginn der 3. Regulierungsperiode Kapitalkosten aus Investitionen nach dem Basisjahr ohne Zeitverzug in der Erlösobergrenze abgebildet. Entsprechend werden im Gegenzug aber auch die im Verlauf einer Regulierungsperiode sinkenden Kapitalkosten über den Kapitalkostenabzug in der Erlösobergrenze nachvollzogen. Für die 3. Regulierungsperiode ist eine Übergangslösung vorgesehen (der sogenannte „Übergangssockel“).
Im Rahmen der Entgeltregulierung wird grundsätzlich zwischen beeinflussbaren und nicht beinflussbaren Kosten unterschieden. Manche Kosten sind zudem als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten definiert, beispielsweise Kosten durch die erforderliche Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen oder Konzessionsabgaben. Die Gesamtkosten abzüglich der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten werden einem Effizienzvergleich unterzogen.
Da Kapitalgeber eine angemessene Verzinsung für das eingesetzte Eigenkapital erwarten, wird den Netzbetreibern eine kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung gewährt. Die Höhe des Zinssatzes wird von der Regulierungsbehörde für jede Regulierungsperiode neu ermittelt. Der Eigenkapitalzinssatz entspricht dabei nicht zwangsläufig der Rendite.
Die kalkulatorische Gewerbesteuer ist nach den Netzentgeltverordnungen eine kalkulatorische Kostenposition. Bezugsgröße dafür ist die kalkulatorisch ermittelte Eigenkapitalverzinsung.
Bestimmung des Ausgangsniveaus
Ausgangspunkt für die Bestimmung der Erlösobergrenze, auf deren Grundlage Netznutzungsentgelte durch den Netzbetreiber bestimmt werden, ist die individuelle Kostensituation des einzelnen Netzbetreibers.
Vor Beginn einer Regulierungsperiode ermitteln die Regulierungsbehörden das Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenze durch eine Kostenprüfung nach den Vorschriften der Strom- bzw. Gasnetzentgeltverordnung.
Alle Netzbetreiber werden unabhängig von ihrer Größe einer Kostenprüfung unterzogen. Das Ausgangsniveau bleibt für die Dauer einer Regulierungsperiode grundsätzlich unverändert.
Kostenprüfung
Die Kostenprüfung erfolgt jeweils im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn der nächsten Regulierungsperiode. Grundlage der Kostenprüfung sind die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse bzw. die für den Netzbereich relevanten Tätigkeitsabschlüsse des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres. Nur so können gesicherte kaufmännische Daten als Grundlage der Kostenprüfung dienen.
Das Kalenderjahr, auf dessen Daten die Kostenprüfung basiert, wird in der Anreizregulierungsverordnung als Basisjahr bezeichnet. Kosten im Basisjahr, die auf einer Besonderheit des Geschäftsjahres beruhen, bleiben bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus unberücksichtigt.
Für die 1. Regulierungsperiode war 2006 das Basisjahr.
Grundsätzlich dauert eine Regulierungsperiode fünf Jahre. Nur in der 1. Regulierungsperiode im Gasbereich wurde die Dauer ausnahmsweise auf vier Jahre verkürzt, um den Prozess seitens der Unternehmen, aber auch seitens der Regulierungsbehörden, zeitlich zu entzerren.
So ergeben sich nach 2009 unterschiedliche Basisjahre für den Strom- und Gassektor.
Die 3. Regulierungsperiode im Bereich Strom beginnt im Jahr 2019, im Bereich Gas bereits 2018.
Kapitalkostenabzug
Ab der 3. Regulierungsperiode wird für Verteilernetzbetreiber (VNB) auf einen jährlichen Kapitalkostenabgleich umgestellt. Dieser unterteilt sich in die beiden Bausteine Kapitalkostenaufschlag und Kapitalkostenabzug.
In diesem Abschnitt wird zunächst der Kapitalkostenabzug erläutert, der auf Basis der Kostenprüfung für die jeweilige Regulierungsperiode im Vorfeld festgelegt wird.
Damit im Gegenzug nach dem Basisjahr neu hinzukommende Kapitalkosten aus Investitionen ohne Zeitverzug in die Erlösobergrenze Eingang finden, wird der Kapitalkostenaufschlag - teilweise auf Plankostenbasis - jährlich für das Folgejahr beantragt. Er wird vertiefend im Abschnitt Anpassung der Erlösobergrenze dargestellt.
Kapitalkosten im Sinne des Kapitalkostenabzuges sind dabei die Summe aus Abschreibungen, Eigenkapitalverzinsung und Gewerbesteuer, die jeweils kalkulatorisch ermittelt werden, plus dem Aufwand für Fremdkapitalzinsen. Der Abzug steigt dabei im Verlauf einer Regulierungsperiode jährlich absolut an, da er sich aus der Differenz der Kapitalkosten der Bestandsanlagen im Basisjahr und den verbliebenen Kapitalkosten im betrachteten Jahr ergibt. Da die Verzinsungsbasis durch sinkende Restwerte abnimmt, vermindert sich die Eigenkapitalverzinsung.
Weiterhin entfallen für die Anlagen, die das Ende ihrer kalkulatorischen Restnutzungsdauer erreicht haben, die sogenannten Abschreibungsscheiben.
Diese Effekte führen zu einem kontinuierlichen Absinken der Kapitalkosten im Verlauf einer Regulierungsperiode.
Für Anlagen, die zwischen 2007 und einschließlich 2016 erstmalig aktiviert wurden, ist eine Übergangsregelung nach § 34 Abs. 5 ARegV vorgesehen, die diese Anlagen in der 3. Regulierungsperiode von den Regelungen zum Kapitalkostenabzug ausnimmt.Die Übergangsregelung führt dazu, dass für diese Anlagen ein sogenannter Sockeleffekt entsteht. Der Sockel, der aus Übergangsregel für die 3. Regulierungsperiode resultiert, wird auch als „Übergangssockel“ bezeichnet.
Exkurs: Sockeleffekte im Budgetprinzip
Unterschiedliche Kostenanteile
Die im Ausgangsniveau enthaltenen Kosten werden in einem zweiten Schritt in Kostenkategorien aufgeteilt:
- dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten und
- grundsätzlich beeinflussbare Kosten
Als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten gelten beispielsweise Konzessionsabgaben, Betriebssteuern, Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen oder auch Betriebs- und Personalratstätigkeit. Ebenfalls sind darin Kosten für Redispatch- und Einspeisemanagement-Maßnahmen enthalten.
(Katalog der als nicht beeinflussbar eingestuften Kosten in § 11 Abs. 2 ARegV)
Darüber hinaus werden die dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten unterperiodisch (mit Differenzierung hinsichtlich des Bezugsjahres gem. § 4 ARegV) bei Veränderungen angepasst. Der Abgleich der tatsächlichen Kosten erfolgt dann ex post und wird in der Erlösobergrenze berücksichtigt. Durch die Anpassung können Netzbetreiber Kosten abdecken, die Änderungen unterliegen und durch unternehmerisches Handeln nicht beeinflusst werden können. Dies ist eine Abweichung vom Budgetprinzip.
Für Unternehmen im vereinfachten Verfahren wird der Anteil der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten pauschal festgelegt. Durch die Novelle der Anreizregulierungsverordnung wird der dabei relevante Prozentsatz von 45 Prozent auf 5 Prozent abgesenkt. Damit einher geht aber, dass die Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze sowie die vermiedenen Netzentgelte von der pauschalierten Betrachtung ausgenommen und in ihrer tatsächlichen Höhe analog zur Vorgehensweise im Regelverfahren berücksichtigt werden.
Die verbleibenden Kosten sind die grundsätzlich beeinflussbaren Kosten. Nur auf diesen Kostenanteil wird der im Effizienzvergleich ermittelte Effizienzwert angewendet, sodass sich ein Block effizienter und ein Block ineffizienter Kosten ergibt. Nur der Anteil der ineffizienten Kosten muss innerhalb einer Regulierungsperiode schrittweise abgebaut werden.
Die vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile eines Jahres ergeben sich jeweils durch Multiplikation des Effizienzwertes mit den Gesamtkosten nach Abzug der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten im Ausgangsniveau und des Kapitalkostenabzugs des jeweiligen Jahres.
Eine spezielle Berücksichtigung erhalten zudem die volatilen Kosten. Stark schwankende, aber beeinflussbare Kosten, wie beispielsweise die Kosten für die Beschaffung von Treiberenergie, können als volatile Kosten eingeordnet werden. Wie dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile können volatile Kosten unterperiodisch angepasst werden, sie unterliegen jedoch als grundsätzlich beeinflussbare Kosten dem Effizienzvergleich.
Kapitalverzinsung im Basisjahr und innerhalb der Regulierungsperiode
Jeder Geldgeber eines Unternehmens erwartet eine wettbewerbsfähige und dem Branchenrisiko entsprechende Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Normalerweise ergibt sich die Verzinsung je nach Branche und allgemeinem Zinsniveau durch den Markt. Wenn das Risiko der Investition und die Verdienstmöglichkeit nicht im richtigen Verhältnis stehen, wird in der Regel nicht investiert.
Da im Falle der Netzbetreiber die Marktmechanismen durch die Eigenschaft als natürliches Monopol teilweise außer Kraft gesetzt sind, gleichzeitig aber Investitionen in die Infrastrukturen unerlässlich sind, wird auch der Eigenkapitalzinssatz durch die Regulierung vorgegeben. Für jede Regulierungsperiode ermittelt die Bundesnetzagentur eine risiko- und finanzmarktadäquate Verzinsung für das eingesetzte Eigenkapital.
Die Eigenkapitalverzinsung setzt sich in der 3. Regulierungsperiode wie folgt zusammen:
- Risikoloser Basiszins: 2,49 Prozent - dieser wird anhand eines Zehnjahresdurchschnitts der Umlaufsrendite festverzinslicher Wertpapiere ermittelt.
- Wagniszuschlag: 3,15 Prozent - dieser Zuschlag zur Abdeckung netzspezifischer unternehmerischer Wagnisse wird nach wissenschaftlichen Methoden ermittelt.
Der regulierte Eigenkapitalzins nach Körperschaftsteuer beträgt damit 5,64 Prozent.
Die Körperschaftsteuer wird mit einem Faktor in Höhe von 1,225 berücksichtigt, sodass die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung vor Steuern 6,91 Prozent für Neuanlagen beträgt. Für die sogenannten Altanlagen, die vor dem 1. Januar 2006 aktiviert wurden, gilt in der 3. Regulierungsperiode ein um Preisentwicklungen korrigierter Zinssatz von 5,12 Prozent vor Steuern.
Altanlagen werden dabei jedoch nicht grundsätzlich niedriger verzinst als Neuanlagen, lediglich findet bei den Altanlagen gemäß Netzentgeltverordnungen eine Berücksichtigung der Inflation über die Bewertung der Anlagen zu den sogenannten Tagesneuwerten statt.
In der 2. Regulierungsperiode liegen die Eigenkapitalzinssätze vor Steuern bei 9,05 Prozent für Neuanlagen, für Altanlagen beträgt die Verzinsung 7,14 Prozent.
Die Verzinsung erfolgt nach Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes unterschiedlich für:
- Bestandsanlagen im Basisjahr (Grundlage: Netzentgeltverordnungen)
- betriebsnotwendige Anlagegüter, in die ab der 3. Regulierungsperiode nach dem jeweiligen Basisjahr investiert wird (Grundlage: Kapitalkostenaufschlag nach §10a ARegV, der im Zuge der Novellierung eingeführt wurde)
Für Bestandsanlagen wird auf Basis der Netzentgeltverordnungen der ermittelte Eigenkapitalzinssatz auf maximal 40 Prozent des kalkulatorisch bestimmten betriebsnotwendigen Vermögens gewährt.
Darüber hinausgehendes in der Kapitalstruktur vorhandenes Eigenkapital wird mit dem nach § 7 Abs. 7 Strom- bzw. GasNEV bestimmten Zinssatz verzinst (EK-II-Zinssatz). Dieser EK-II-Zinssatz orientiert sich an einem üblichen Zinssatz für die Fremdkapitalbeschaffung und wird als zehnjähriger Durchschnitt auf Basis von der Deutschen Bundesbank veröffentlichter Renditereihen bestimmt. Vorhandenes Fremdkapital wird aufwandsgleich anerkannt, wenn die Fremdkapitalzinsen kapitalmarktübliche Zinsen für vergleichbare Kreditaufnahmen nicht übersteigen.
Für den Kapitalkostenaufschlag (siehe Anpassung der Erlösobergrenze) bei VNB wird für betriebsnotwendige Anlagen, die nach dem jeweiligen Basisjahr aktiviert werden, eine gesonderte Berechnung durchgeführt.
Die kalkulatorische Verzinsungsbasis zur Ermittlung der kalkulatorischen Verzinsung berechnet sich nach den Netzentgeltverordnungen auf Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungskosten der betriebsnotwendigen Anlagegüter und der sich daraus ergebenden Restwerte. Der relevante Zinssatz ist der gewichtete Mittelwert aus kalkulatorischem Eigen- und Fremdkapitalzins. Dabei wird für die Berechnung des Kapitalkostenaufschlags der Eigenkapitalzins pauschal mit 40 Prozent, der Fremdkapitalzins mit 60 Prozent gewichtet. Der Fremdkapitalzins entspricht dabei dem beschriebenen EK-II-Zinssatz.
Stand: 21.03.2017