Umlageprivilegien

Gibt es Netzentnahmemengen, auf die geringere oder keine Umlagen zu zahlen sind?

Ja.

Das EnFG enthält mehrere Sonderregelungen, nach denen auf bestimmte Netzentnahmemengen geringere oder keine Umlagen anfallen können (Umlageprivilegien).

Welche Strommengen privilegierungsfähig sind, richtet sich je nach Sonderregelung z.B. danach, welcher Anteil der Netzentnahme innerhalb der Kundenanlage zeitgleich von einem bestimmten Letztverbraucher (z.B. einem stromkostenintensiven Unternehmen) oder in einem bestimmten Verbrauchsgerät (z.B. Stromspeicher, E-Auto-Ladepunkt, Wärmepumpe, Grün-H2-Elektrolyseur) verbraucht wird.

Welche Verbrauchsmengen können einem bestimmten Letztverbraucher zugeordnet werden?

Soweit es für die Bestimmung von privilegierungsfähigen Netzentnahmemengen auf den Verbrauch durch eine bestimmte Person ankommt, kann sich die Frage stellen, welchem Letztverbraucher bzw. welchen Letztverbrauchern die Stromverbräuche in der Kundenanlage hinter der Entnahmestelle zuzuordnen sind.

Zur Bestimmung des Letztverbrauchers kommt es grundsätzlich darauf an, wer Betreiber der jeweiligen elektrischen Verbrauchsgeräte ist, in denen der Strom verbraucht wird. Unter bestimmten Voraussetzungen können geringfügige unentgeltliche Stromverbräuche anderer Personen einem Letztverbraucher auch als seine Verbräuche zugerechnet werden (§ 45 EnFG).

Für weitergehende Erläuterungen zur Bestimmung des Letztverbrauchers und zur Zuordnung von Verbrauchsmengen am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zur Eigenversorgung, Seiten 23 bis 27 sowie Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seiten 15 und 16.

Für weitergehende Erläuterungen zur Zurechnung geringfügiger Drittverbräuche am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seiten 40 bis 53.

Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Umlageprivilegien und die privilegierungsfähigen Strommengen?
Beispiel: Wer kann das Umlageprivileg bei Wärmepumpen in Anspruch nehmen?

Die Darlegungs- und Beweislast für die Inanspruchnahme einer begünstigenden Sonderregelung trägt entsprechend allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze derjenige, der die Vergünstigung in Anspruch nehmen möchte.

Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für die Umlageprivilegien im Energiefinanzierungsgesetz: Der Netznutzer (in der Regel der Stromlieferant), der als Umlageschuldner grundsätzlich zur Zahlung in voller Höhe (100 Prozent) und vollem Umfang (auf die gesamte Netzentnahme) verpflichtet ist und ein Umlageprivileg gegenüber dem Netzbetreiber geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast sowohl für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Sonderregelung (Voraussetzungen des Privilegs) als auch für den Nachweis, welche Netzentnahmemengen an einer Entnahmestelle anteilig oder vollständig von der Sonderregelung erfasst sind (Umfang des Privilegs).

Beispiel: Das Umlageprivileg auf Netzentnahmen für den Stromverbrauch von Wärmepumpen kann grundsätzlich der Lieferant dieser Strommengen als „Netznutzer“ in Anspruch nehmen. Für die Inanspruchnahme muss dementsprechend der Stromlieferant (und nicht der belieferte Kunde) die Mitteilungspflichten gegenüber dem Netzbetreiber erfüllen und nachweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Der Preisvorteil kann bei der Vereinbarung des Strompreises berücksichtigt werden; dies bleibt jedoch der Vertragsfreiheit überlassen.

Für weitergehende Erläuterungen zu den Darlegungs- und Beweislasten am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.:

Leitfaden zur Eigenversorgung, Seiten 115, 116 sowie
Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seite 12.

Darf die Umlageprivilegierung für elektrisch angetriebene Wärmepumpen bereits vor der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission gewährt werden? 

Nein.

Die Umlageprivilegierung für elektrisch angetriebene Wärmepumpen steht unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission. Sie darf erst nach der Genehmigung angewandt werden (§ 68 EnFG). Die Genehmigung ist nach bisherigen Auskünften des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) noch nicht erteilt worden. Über ergangene Entscheidungen informiert die Kommission in ihrer Entscheidungsdatenbank sowie in der Regel per Pressemitteilung.

Ob eine rückwirkende Privilegierung zugunsten von Stromverbräuchen vor der Genehmigung möglich sein wird, hängt vom Wortlaut der Genehmigung der Europäischen Kommission ab.

Sind besondere Mitteilungspflichten für die Inanspruchnahme von Umlageprivilegien zu beachten?

Ja.

Ein Netznutzer, der ein Umlagenprivileg nach dem EnFG in Anspruch nehmen möchte, muss dem Netzbetreiber insbesondere

  • unverzüglich bestimmte allgemeine Basisangaben zur Umlageprivilegierung an konkreten Entnahmestellen, zu grundsätzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf den Letztverbraucher und zu relevanten Änderungen (§ 52 Abs. 1 EnFG) sowie
  • jährlich (in der Regel bis zum 31. März) bestimmte konkrete abrechnungsrelevante Angaben u.a. zu privilegierten Netzentnahmemengen des Vorjahres (§ 52 Abs. 2 und 3 EnFG) mitteilen.

Je nach Sonderregelung sind teilweise ergänzende Mitteilungspflichten zu beachten.

Die Einhaltung der Mitteilungspflichten der Netznutzer ist u.a. wichtig, um einen anteiligen oder vollständigen Verlust der Umlageprivilegien zu vermeiden:

  • Teilt der Netznutzer die Basisangaben zu den grundsätzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf den Letztverbraucher (bzw. relevante Änderungen dazu) oder die konkreten abrechnungsrelevanten Angaben zum Vorjahr nicht oder nicht rechtzeitig mit, erhöht sich die Umlagepflicht auf 100 Prozent (§ 53 Abs. 1 EnFG).
  • Teilt der Netznutzer die Basisangaben zur Umlageprivilegierung an konkreten Entnahmestellen (bzw. relevante Änderungen dazu) trotz der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung nicht spätestens bis zum 28. Februar des Folgejahres mit, erhöht sich die Umlagepflicht für das jeweilige Kalenderjahr (in dem die Mitteilung bereits unverzüglich hätte erfolgen müssen) um 20 Prozentpunkte (§ 53 Abs. 2 EnFG).

Müssen privilegierungsfähige Strommengen abgegrenzt werden, um ein Umlageprivileg in Anspruch zu nehmen?

Ja.

Um ein Umlageprivileg für anteilige Netzentnahmemengen in Anspruch nehmen zu können, müssen diese privilegierungsfähigen Strommengen von anderen Strommengen mit einem anderen bzw. höheren Umlagesatz an der jeweiligen Entnahmestelle abgegrenzt (und dem Netzbetreiber mitgeteilt) werden.

Wenn beispielsweise ein Stromlieferant als Netznutzer geltend macht, auf die Netzentnahmemenge, die er an einer bestimmten Entnahmestelle an seinen Kunden geliefert hat, keine oder eine verringerte Umlage zahlen zu müssen, soweit der entnommene Strom von einem bestimmten Letztverbraucher bzw. in bestimmten Verbrauchseinrichtungen verbraucht wurde, dann müssen diese privilegierungsfähigen Strommengen von den „normal“ umlagepflichtigen Strommengen (den übrigen Verbräuchen von anderen Letztverbrauchern bzw. in anderen Verbrauchseinrichtungen hinter der Entnahmestelle) in geeigneter Weise abgegrenzt werden.

Wie können privilegierungsfähige Strommengen abgegrenzt werden, um ein Umlageprivileg in Anspruch zu nehmen?

Grundsätzlich müssen privilegierungsfähige Strommengen, auf die nur anteilige oder keine Umlagen zu zahlen sind, von solchen, auf die Umlagen in anderer Höhe (in der Regel in voller Höhe) zu zahlen sind, durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen abgegrenzt werden (§ 46 Abs. 1 S. 2 EnFG).

Die Abgrenzung ist entbehrlich, soweit der Netznutzer das Privileg nicht (bzw. eingeschränkt) geltend macht und auf eine „durchmischt“ erfasste Gesamtmenge den innerhalb dieser Strommenge geltenden höchsten Umlagesatz zahlt (umlageerhöhende Zurechnung, § 46 Abs. 2 S. 1 EnFG).

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Abgrenzung ausnahmsweise auch auf Basis einer sachgerechten Schätzung anstelle einer messtechnischen Erfassung erfolgen (§ 46 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und 4 EnFG).

Weitergehende Erläuterungen zur

  • Abgrenzung durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seite 54
  • Vermeidung oder Minderung des Abgrenzungsbedarfs u.a. durch umlageerhöhende Zurechnungen und zu weiteren Vereinfachungsmöglichkeiten am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zum Messen und Schätzen, Vereinfachungen 1–7 und 9–21
  • Schätzbefugnis und zu den Anforderungen an eine sachgerechte Schätzung am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seiten 55–59 und 62–69

Muss die Zeitgleichheit von Netzentnahme und Verbrauch für die Abgrenzung sichergestellt werden?

Ja.

Bei der Abgrenzung ist sicherzustellen, dass ausschließlich Strommengen, die zeitgleich aus dem Netz entnommen und von der betreffenden Person bzw. in der betreffenden Verbrauchseinrichtungen verbraucht werden, als privilegierte Netzentnahmemengen berücksichtigt werden (viertelstundengenaue Zeitgleichheit von Netzentnahme und Verbrauch, § 46 Abs. 5 EnFG).

Wird in der Kundenanlage hinter der Entnahmestelle kein Strom erzeugt, dann lässt sich die Zeitgleichheit auch ohne Viertelstundenwerte sicherstellen: Sämtliche Stromverbräuche innerhalb der Kundenanlage können in diesem Fall ausschließlich durch die zeitgleiche Netzentnahme gedeckt werden. reicht für die Abgrenzung z.B. eine jährliche Messung aus.

Wird jedoch in der Kundenanlage hinter der Entnahmestelle Strom erzeugt (z.B. in einer Solaranlage oder einem konventionellen Eigenverbrauchskraftwerk), dann bedarf es grundsätzlich einer viertelstundengenauen Betrachtung, um die Zeitgleichheit sicherzustellen: Für die Ermittlung der privilegierungsfähigen Strommengen ist in diesem Fall viertelstundengenau zuzuordnen, inwieweit von dem jeweiligen Letztverbraucher bzw. in dem jeweiligen Verbrauchsgerät zeitgleich Strom aus dem Netz oder aus der Erzeugungsanlage innerhalb der Kundenanlage verbraucht wird. Für eine messtechnische Sicherstellung der Zeitgleichheit ist eine mess- und eichrechtskonforme Messung der Netzentnahme und des Ist-Verbrauchs bezogen auf jedes Viertelsunden-Intervall erforderlich. Dies ist entbehrlich, wenn und soweit die Zeitgleichheit „anderweitig sichergestellt“ ist (§ 46 Abs. 5 S. 2 EnFG), z.B. durch eine geeignete Anordnung von Arbeitszählern bzw. einer Kaskaden-Messanordnung.

Für weitergehende Erläuterungen zur messtechnischen oder anderweitigen Sicherstellung der Zeitgleichheit am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zum Messen und Schätzen, Seiten 70 ff.

Welche Umlagen sind zu zahlen bei unzureichenden Nachweisen zu den Voraussetzungen oder zum Umfang eines Privilegs?

Wird ein erforderlicher Nachweis für eine fragliche Voraussetzung der privilegierenden Sonderregelung nicht oder nicht ausreichend erbracht, muss der für die Erhebung der Umlagen zuständige Netzbetreiber nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast im Zweifel davon ausgehen, dass die Sonderregelung nicht greift und für den letztverbrauchten Strom die Umlagen auf die gesamte Netzentnahme in voller Höhe fällig werden.

Für weitergehende Erläuterungen am Beispiel der ehemaligen EEG-Umlagepflichten vgl.: Leitfaden zur Eigenversorgung, Seite 116.

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