Entflechtung

Jeder Energieanbieter soll zu den gleichen Bedingungen Zugang zum Strom- und Gasnetz haben. Entflechtung (englisch: Unbundling) hat das Ziel, die Unabhängigkeit des Netzbetreibers von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sicherzustellen.

Transparenz und diskriminierungsfreie Ausgestaltung des Netzbetriebs sind Grundvoraussetzungen, um Wettbewerb in den vor- und nachgelagerten Bereichen der Wertschöpfungskette zu fördern und Vertrauen bei den Marktteilnehmern zu schaffen. Seit 2005 schreibt das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) daher für vertikal integrierte Unternehmen informatorische, buchhalterische, rechtliche und operationelle, Entflechtungsmaßnahmen vor.

Während die beiden erst genannten Optionen für alle vertikal integrierten Unternehmen gleichermaßen gelten, müssen Verteilnetzbetreiber in rechtlich und operationeller Hinsicht Maßnahmen mit geringerer struktureller Intensität erfüllen.

Transportnetzbetreiber

Für Transportnetzbetreiber (ÜNB und FNB) wurden die Entflechtungsmaßnahmen im Zuge des dritten Energiebinnenmarktpaketes der EU verschärft und die Zertifikate durch die Regulierungsbehörde geregelt. Die Zertifizierung dient dem Nachweis der Einhaltung der Entflechtungs- bzw. Organisationsvorgaben durch den Transportnetzbetreiber. Mit Inkrafttreten der Energierechtsnovelle am 4. August 2011 wurden die europäischen Vorgaben im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in deutsches Recht umgesetzt.

Die Entflechtungsregelungen gelten seitdem auch für Betreiber von Gasspeichern.

Betrieb von Ladepunkten durch Netzbetreiber

Hier finden Sie entflechtungsrelevante Fragen zum Betrieb von Ladepunkten als Netzbetreiber.

Dürfen Elektrizitätsverteilernetzbetreiber Ladepunkte für Elektromobile betreiben?

Nein. 

Der Betrieb eines Ladepunktes für Elektromobile durch den Elektrizitätsverteilernetzbetreiber ist ausdrücklich untersagt (gem. § 7c Abs. 1 EnWG).

Ladepunkte für Elektromobile werden der der Netzebene nachgelagerten wettbewerblichen Ebene zugerechnet. Damit müssen diese nach allgemeinen Entflechtungsgrundsätzen von der Netzebene getrennt werden. § 7c EnWG konkretisiert dies: Demnach dürfen Elektrizitätsverteilernetzbetreiber zum einen nicht Eigentümer eines Ladepunktes sein und zum anderen solch einen Ladepunkt weder entwickeln, verwalten oder betreiben.

Das Verbot des „Entwickelns“ bedeutet hierbei, dass der Netzbetreiber nicht an Vorarbeiten zum Betrieb des Ladepunktes beteiligt sein darf. Dies betrifft insbesondere Planung, Genehmigung, Beschaffung und Bau von Ladepunkten.

Betreiber einer Ladesäule ist, wer unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände bestimmenden Einfluss auf den Betrieb eines Ladepunkts ausübt.

Rechtliche Grundlagen: § 7c Abs. 1 EnWG; § 2 Nr. 8 LadesäulenVO

Ist der Betrieb von Ladepunkten durch Elektrizitätsverteilernetzbetreiber in Ausnahmefällen möglich?

Aktuell nicht.

Zwar dürfen Elektrizitätsverteilernetzbetreiber ausnahmsweise gemäß § 7c Abs. 2 EnWG Ladepunkte betreiben, entwickeln oder verwalten, sofern das regionale Marktversagen nach einer Ausschreibung durch eine kommunale Gebietskörperschaft festgestellt worden ist und die Bundesnetzagentur nach Maßgabe einer aufgrund von § 7c Abs. 3 EnWG erlassenen Verordnung ihre Genehmigung erteilt hat. Von der Verordnungsermächtigung in Abs. 3 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht.  Eine entsprechende Ausnahmegenehmigung durch die Bundesnetzagentur kann daher nicht erteilt werden.

Elektrizitätsverteilernetzbetreiber mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden („de-Minimis-Unternehmen“) sind vom Verbot nach § 7c EnWG noch bis zum 31. Dezember 2024 befreit.

Rechtliche Grundlagen: §§ 7c Abs. 2, 3, 118 Abs. 34 S.3 EnWG

Findet das Verbot des § 7c EnWG Anwendung auf de-Minimis-Unternehmen?

Ja.

Die Vorschrift des § 7c EnWG dient einer Umsetzung des Art. 33 Abs. 2 RL (EU) 2019/944. Die unionsrechtliche Vorschrift sieht keine de-minimis-Ausnahme vor. De-minimis-Ausnahmen für Verteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden werden ausdrücklich dort geregelt, wo diese auch vorgesehen werden (z.B. bei der rechtlichen Entflechtung nach § 7 Abs. 2 EnWG sowie bei der operationellen Entflechtung nach § 7a Abs. 7 EnWG). Ein Rückgriff auf § 7 Abs. 2 EnWG ist daher nicht möglich. Eine analoge Anwendung kommt aufgrund der Ausnahmecharakters der de-minimis-Tatbestände ebenfalls nicht in Betracht.

Elektrizitätsverteilernetzbetreiber mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden („de-Minimis-Unternehmen“) sind vom Verbot nach § 7c EnWG noch bis zum 31. Dezember 2024 befreit.

Rechtliche Grundlagen: §§ 7c Abs. 1, 118 Abs. 34 S.3 EnWG, Art. 33 Abs. 2-4 RL (EU) 2019/944

Darf eine andere Gesellschaft im vertikal integrierten Unternehmen Ladepunkte für Elektromobile betreiben?

Ja.

Adressat des § 7c EnWG ist der Elektrizitätsverteilernetzbetreiber, nicht das vertikal integrierte Unternehmen. Die Norm schreibt lediglich vor, dass ein Elektrizitätsverteilernetzbetreiber nicht gleichzeitig Eigentümer eines Ladepunktes sein darf. Die Norm erfasst allein das dingliche Recht der juristischen Person, in der der Netzbetreiber organisiert ist. Eine andere Gesellschaft innerhalb des vertikal integrierten Unternehmens des Elektrizitätsverteilernetzbetreibers darf Eigentümerin des Ladepunktes sein. 

Weiterhin muss sichergestellt sein, dass Vertrieb und Netztätigkeit nach den bestehenden Entflechtungsvorschriften unabhängig voneinander zu erfolgen haben. Zur Vertriebstätigkeit zählt auch der Betrieb von Ladepunkten für Elektromobile.

Rechtliche Grundlage: § 7c Abs. 1 EnWG

Darf eine Tochtergesellschaft des Elektrizitätsverteilernetzbetreibers den Betrieb von Ladepunkten durchführen?

Nein, grundsätzlich nicht.

Die Auslagerung von Erzeugung und Vertrieb in Tochtergesellschaften ist entflechtungsrechtlich nicht zulässig, da anderenfalls die Gefahr einer Umgehung der gesetzlichen Regelungen besteht (Verbot des sog. „Netz-Mutter-Modells“, vgl. BK7-09-014, S.11ff.).

Dies gilt jedoch nicht für Elektrizitätsverteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden. Diese müssen sich gemäß §§ 7 Abs. 2, 7a Abs. 7 EnWG weder rechtlich noch operationell entflechten. Daher darf bei den sog. De-minimis Unternehmen ohnehin Netztätigkeit und Erzeugungs- und Vertriebstätigkeit in derselben juristischen Person stattfinden, wodurch auch das Verbot vom Netz-Mutter-Modell bei diesen keine Anwendung finden kann. Für diese ist beim Betrieb von Ladepunkten ausschließlich der § 7c EnWG anwendbar, der die Auslagerung auf eine Tochtergesellschaft nicht verbietet, solange der Elektrizitätsverteilernetzbetreiber den Ladepunkt weder verwaltet, noch betreibt oder entwickelt.

Rechtliche Grundlagen: §§ 6 Abs. 1, 7, 7a, 7c Abs.1 EnWG

Photovoltaik-Erzeugung durch Netzbetreiber

Hier finden Sie entflechtungsrelevante Fragen zum Betrieb von PV-Anlagen als Netzbetreiber.

Dürfen Netzbetreiber Energieerzeugungsanlagen betreiben?

Nein.

Der Netzbetrieb muss unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung (Erzeugung und Vertrieb) sein.

Der Betrieb von Erzeugungsanlagen, die auf den Gebäuden bzw. dem Gelände des Netzbetreibers installiert sind und die allein der Eigenversorgung dienen, ist entflechtungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Eigenerzeugung dienen Anlagen, bei denen der von einem Netzbetreiber erzeugte Strom bzw. das erzeugte Gas nicht in ein Energieversorgungsnetz eingespeist und nicht an Dritte geliefert, sondern ausschließlich personenidentisch vom Netzbetreiber innerhalb einer Kundenanlage selbst verbraucht wird.

Netzbetreiber müssen in der Praxis technisch sicherstellen, dass der Betrieb tatsächlich ausschließlich zur Eigenversorgung erfolgt, es also weder zu einer Einspeisung in ein Energieversorgungsnetz noch zu einer Lieferung an Dritte kommen kann. Eine Verwendung des Stroms als Verlustenergie ist ausgeschlossen.

Gesetzliche Grundlagen: § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 EnWG, § 3 Nr. 24a oder 24b EnWG

Welche Optionen bestehen, um die Dachflächen von Gebäuden der Netzbetreiber mit Photovoltaik-Anlagen zu erschließen?

Grundsätzlich gilt hier der entflechtungsrechtliche Grundsatz der Unabhängigkeit des Netzbetriebes von Erzeugung und Vertrieb. Dieser schließt den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen durch Netzbetreiber grundsätzlich aus.

Als entflechtungsrechtlich ausnahmsweise nicht zu beanstanden gelten:

  • Einerseits der Betrieb von Photovoltaik-Anlagen für den reinen Eigenverbrauch, solange technisch sichergestellt wird, dass der Betrieb ausschließlich zur Eigenversorgung erfolgt, es also weder zu einer Einspeisung in ein Energieversorgungsnetz noch zu einer Lieferung an Dritte kommen kann.
  • Andererseits der Betrieb von Photovoltaik-Anlagen in dem Fall einer gesetzlich angeordneten (etwa bauordnungsrechtlichen) Dachnutzungspflicht für Photovoltaik-Anlagen bis zu einer installierten Leistung von 100 kW, da es sich hierbei um eine von Jedermann im betroffenen Regelungsgebiet (z. B. innerhalb einer Kommune) einzuhaltende Rechtspflicht handelt. Der so erzeugte Strom darf in das Energieversorgungsnetz eingespeist werden. Für Netzbetreiber bestehen allerdings daneben die Besonderheiten des Entflechtungsrechts. Dieses soll Diskriminierungspotentialen und damit bestehenden Transparenzeinbußen begegnen. Vorzugswürdig ist daher in jedem Fall die Verpachtung der durch die gesetzliche Regelung betroffenen Dachflächen des Netzbetreibers an Dritte (z. B. innerhalb des Unternehmensverbundes), die außerdem, für den so erzeugten Strom, die erhöhte Volleinspeisungsvergütung erhalten können.

Bei PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 100 kW treten entflechtungsrechtliche Bedenken ausnahmsweise hinter Klimaschutzaspekten zurück. Solche Anlagen unterfallen nicht der verpflichtenden Direktvermarktung, sondern unterliegen einer festen Einspeisevergütung. Auch eine frei gewählte Direktvermarktung nach §§ 21a, 10b EEG ist ausgeschlossen.

Ein Anreiz für eine bevorzugte netzseitige Behandlung der vom Netzbetreiber selbst erzeugten Energie besteht folglich nicht. Für darüber hinaus gehende Mengen oder soweit keine gesetzlich angeordnete Dachnutzungspflicht vorliegt, bleibt es bei dem oben beschriebenen Verbot.

Gesetzliche Grundlagen: §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EEG; §§ 21a, 10b EEG

Stellen per Gesetz verpflichtend installierte Photovoltaik-Anlagen Netzbetriebsmittel dar?

Nein.

Es handelt sich um Tätigkeiten außerhalb des Netzbetriebes. Solche Photovoltaik-Anlagen sind nicht betriebsnotwendig und daher außerhalb der Netzkosten und ausschließlich durch die gewährte Einspeisevergütung zu finanzieren. Demnach ist das Sachanlagevermögen außerhalb der Netzbilanz handelsrechtlich zu bilanzieren.

Die Verrechnung der Energiemengen erfolgt über die kaufmännisch-bilanzielle (Voll-)Einspeisung. Auf diese Weise wird auch eine unzulässige Besserstellung für Netzbetreiber-Anlagenbetreiber sowie eine Quersubventionierung aus den Netzentgelten vermieden. Für die Netzbetreiber fällt neben der EEG-Einspeisevergütung keine zusätzliche Eigenkapitalverzinsung an.

Wie sind die Einnahmen und Erträge aus dem Anlagenbetrieb oder der Verpachtung der Dachflächen zu verbuchen?

Im Falle der vorzugswürdigen Verpachtung oder Vermietung der Dachflächen an Dritte, sind die Einnahmen aus Verpachtung und Vermietung kostenmindernd anzusetzen.

Im Falle der ausnahmsweise zulässigen Energieerzeugung zum Zwecke des Eigenverbrauchs ist sicherzustellen, dass die dadurch erreichte Kostenminderung des Strombezugs ebenfalls in vollem Umfang kostenmindernd wirksam wird.

Ausnahmegenehmigungen für Energiespeicheranlagen

Grundsätzlich dürfen Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen (ÜNB und VNB) nach entflechtungsrechtlichen Vorgaben keine Energiespeicheranlagen in ihrem Eigentum haben, diese errichten, verwalten und betreiben. Ausnahmsweise ist ihnen dies unter anderem dann erlaubt, wenn die Bundesnetzagentur hierfür auf Antrag eine entsprechende Genehmigung erteilt hat.

Abweichend von den grundsätzlichen entflechtungsrechtlichen Vorgaben dürfen Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen (ÜNB und VNB) Energiespeicheranlagen unter anderem dann ausnahmsweise in ihrem Eigentum haben, diese errichten, verwalten und betreiben, wenn die Bundesnetzagentur dies auf deren Antrag genehmigt hat.

Die Genehmigung wird erteilt, wenn der Antragsteller die Notwendigkeit der Energiespeicheranlage zur effizienten Erfüllung seiner Verpflichtungen nachgewiesen und ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt hat, bei dem er den Zuschlag nicht an einen Dritten erteilen konnte (sogenannter negativer Markttest).

In einem ersten Fall hat die Bundesnetzagentur nun auf Antrag der TenneT TSO GmbH eine solche Ausnahme genehmigt. Es handelt sich hierbei um Energiespeicher einer Netzbooster-Pilotanlage in Audorf Süd und Ottenhofen.

In einem weiteren Fall hat die Bundesnetzagentur auf Antrag der TransnetBW GmbH dieser eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme für den Energiespeicher einer Netzbooster-Pilotanlage in Kupferzell.

Verfahrenseinleitungen und erteilte Genehmigungen werden auch im Amtsblatt veröffentlicht.

Gesetzliche Grundlage: § 11b Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 EnWG

Mastodon