Der Ei­gen­ka­pi­tal­zins­satz

Der Bundestag hat eine umfangreiche Reform des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Teil dieses Paketes sind neue Aufgaben der Bundesnetzagentur im Bereich der Energieregulierung. Hierzu wird die Behörde in den kommenden Monaten zahlreiche Festlegungen treffen müssen. Zu den wichtigen Festlegungsverfahren werden hier regelmäßig Informationen veröffentlicht.

Die Netzentgelte, die Strom- und Gasnetzbetreiber ihren Kunden in Rechnung stellen, unterliegen der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur. Die Behörde stellt sicher, dass die Netzbetreiber nur die betriebsnotwendigen Kosten über die Netzentgelte zurückverdienen. Dafür werden alle fünf Jahre die Kosten des Netzbetreibers geprüft. Mit den genehmigten Erlösen kann das Unternehmen seine Aufgaben als Netzbetreiber erfüllen. Teil dieser Erlösobergrenze ist eine kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, die von der Bundesnetzagentur jeweils vor Beginn fünfjährigen Regulierungsperiode festgelegt wird.

Zusätzlich können Netzbetreiber in einer laufenden Regulierungsperiode einen sogenannten Kapitalkostenaufschlag beantragen, um neue Investitionen in die Erlösobergrenze einfließen zu lassen. So wird sichergestellt, dass Investitionen unmittelbar und nicht erst nach Ende der Regulierungsperiode zurückverdient werden können.

Erhöhung des Basiszinssatzes für neue Investitionen

Die Bundesnetzagentur hat am 24. Januar 2024 die Festlegung von Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen im Kapitalkostenaufschlag veröffentlicht. Die Bundesnetzagentur sieht eine Anpassung des Eigenkapitalzinssatzes für neue Investitionen im Kapitalkostenaufschlag vor.

„Unsere Regelung setzt starke Signale, den Netzausbau weiter zu beschleunigen. Sie orientiert sich am Marktumfeld und sichert, dass Belastungen der Kunden auf das wirklich notwendige Maß beschränkt bleiben. Wir begrenzen die Anpassung des Zinssatzes auf Neuinvestitionen. Für Bestandsinvestitionen wirkt sich das gestiegene Zinsumfeld kaum aus. Diese konnten auf Basis unserer Festlegungen gegen Zinsänderungsrisiken bereits bis 2027/2028 abgesichert werden.“
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur

Der Eigenkapitalzinssatz für Neuinvestitionen soll sich künftig aus einem jährlich variablen Basiszins (der Umlaufsrendite) zuzüglich eines konstanten Wagniszuschlags von aktuell rund 3 Prozent ergeben. Bislang wurde für den Basiszins der 10-Jahresdurchschnitt der Umlaufsrendite herangezogen.

Zur Berechnung des Zinssatzes im Anschaffungsjahr wird zunächst ein Planwert herangezogen. Nachdem der endgültig anzusetzende Wert feststeht, werden Differenzen ausgeglichen. Mit der mittleren Umlaufsrendite des Jahres 2023 von rund 2,9 Prozent hätte sich für 2023 ein Zinssatz in Höhe von rund 7,23 Prozent ergeben (inklusive Gewerbesteuer rund 8,25 Prozent). Bei der aktuellen Umlaufsrendite von ungefähr 2,5 Prozent würde sich ein Zins von 6,74 Prozent ergeben (inklusive Gewerbesteuer in Höhe von 7,69 Prozent). Welche Werte tatsächlich eintreten, lässt sich allerdings erst in dem jeweiligen Anschaffungsjahr einer Netzinvestition feststellen.

Dieser Eigenkapitalzins im Kapitalkostenaufschlag gilt nur für Neuinvestitionen. Der Eigenkapitalzinssatz für Bestandsanlagen liegt unverändert und wie im Oktober 2021 festgelegt bei 5,07 Prozent, inkl. Gewerbesteuer bei 5,8 Prozent. Die Finanzierungsbedingungen für Bestandinvestitionen konnten im Vorhinein aufgrund der entsprechenden Festlegung der Verzinsungsbedingungen bis 2027/2028 langfristig abgesichert werden, so dass sich die gestiegenen Zinsen hier kaum auswirken

Es ist beabsichtigt, entsprechende Regelungen auch für Neuinvestitionen im Offshore-Bereich und für Interkonnektoren zu treffen.

Häufige Fragen und Antworten

1. Was ist der Kapitalkostenaufschlag?

Der Kapitalkostenaufschlag berücksichtigt nach dem Basisjahr neu hinzugekommene Investitionen. Wenn neue Investitionen getätigt werden, wird der Anstieg der Kapitalkosten im Laufe der Regulierungsperiode in der Erlösobergrenze der Netzbetreiber angepasst. Dabei können die Netzbetreiber schon die Kosten des laufenden und kommenden Jahres auf Planbasis anpassen und in die Netzentgelte des kommenden Jahres einpreisen. Im Kapitalkostenaufschlag findet die Verzinsung über einen Mischzinssatz und pauschaler Eigenkapitalquote von 40 Prozent und einer entsprechenden Fremdkapitalquote von 60 Prozent statt.

2. Welche Anpassung möchte die Bundesnetzagentur umsetzen?

Als Ansatzpunkt für eine Anpassung der Kapitalkostenvergütung sieht die Beschlusskammer 4 vor, im Kapitalkostenaufschlag (KKAuf) einen zeitvariablen Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen festzulegen, der befristet auf die vierte Regulierungsperiode für ab dem 1. Januar 2024 getätigte Investitionen Gültigkeit hat.

Bisher basiert der Eigenkapitalzins in großen Teilen auf dem Zehnjahresmittel der Umlaufsrendite (§ 7 Abs. 4 Strom-/ GasNEV). Dieses kann jedoch den Zinsanstieg vor dem Hintergrund der neu hinzugetretenen Investitionsbedarfe erst mit wesentlichem Zeitverzug abbilden. Für Neuanlagen im Kapitalkostenaufschlag soll deshalb abweichend von §10a Abs. 7 S. 2 ARegV i.V.m § 7 Abs. 6 StromNEV bzw. GasNEV der kalkulatorische Eigenkapitalzins wie folgt berechnet werden: Der Eigenkapitalzinssatz nach Steuern für Neuanlagen ergibt sich weiterhin als Summe aus einem Basiszins und einem angemessenen Zuschlag zur Abdeckung netzbetreiberspezifischer unternehmerischer Wagnisse von 3 Prozent. Diese Summe wird mit einem Steuerfaktor von 1,226 multipliziert.

3. Welches Ziel verfolgt die Bundesnetzagentur mit der Festlegung?

Der wesentliche Grund für die Einführung einer solchen „zeitvariablen“ Zinskomponente liegt in dem seit Anfang 2022 deutlich geänderten Investitions- und Zinsumfeld. In Folge der veränderten Gasversorgungssituation wird eine Neuskalierung der Netzinvestitionen erforderlich. Inflation und entsprechende Reaktionen der europäischen Zentralbank haben zeitgleich die Basisverzinsung deutlich ansteigen lassen.

Da die Bildung des Zehnjahresmittels der Umlaufsrendite (§ 7 Abs. 4 Strom-/ GasNEV) den so deutlichen Zinsanstieg erst mit wesentlichem Zeitverzug abbilden kann, ist zur Berechnung des Basiszinses für den „KKAuf-EK-Zinssatz“ vorgesehen, zunächst auf das erste abgeschlossene Quartal vor Antragstellung abzustellen. Nach Ablauf des Jahres wird sodann der tatsächlich eingetretene Basiszins glattgezogen. So sollen Investitionsbereitschaft und -sicherheit auch in Zeiten eines dynamischen Zinsumfeldes gewährleistet bleiben.

4. Wie ist gewährleistet, dass Investitionen nicht zurückgehalten werden?

Seit dem 1. Januar 2024 werden nicht nur Fertiganlagen, sondern auch neue Anlagen im Bau mit dem angepassten Eigenkapitalzinssatz im Kapitalkostenaufschlag verzinst. Investitionsanstrengungen werden daher umgehend belohnt. Gleichzeitig besteht ein gewisser Anreiz für vor dem 31. Dezember 2023 gebildete Anlagen im Bau in die Fertigstellung und Abschreibungsphase einzutreten, um von den gestiegenen Zinssätzen zu profitieren (siehe 5.).

Im Übrigen kommt es lediglich zu einer Anpassung des Basiszinssatzes. Der attraktive Wagniszuschlag bleibt für alle Investitionen gleichermaßen erhalten. Damit wissen die Investoren langfristig, welche Rendite sie über den Basiszins hinaus vereinnahmen können.

5. Wie wirkt der angepasste EK-Zinssatz im KKAuf in Richtung einer zügigen Fertigstellung neuer Anlagen?

Auch bereits vor dem 1. Januar 2024 im Bau befindliche Anlagen können ab Beginn 2024 von dem angepassten EK-Zinssatz im KKAuf profitieren. Um Anreize für eine zügige Fertigstellung dieser Anlagen zu setzen, erhalten sie die angepasste Verzinsung allerdings erst ab Zeitpunkt der Umbuchung als „Fertiganlage“. Solange diese Investitionsgüter jedoch noch nicht fertig gestellt sind, werden sie als Anlage im Bau weiterhin mit dem „normalen“ Zinssatz belegt.

6. Warum ist eine Anpassung des EK-Zinssatzes für Bestandsinvestitionen nicht vorgesehen?

Planungssicherheit ist für den Investitionsrahmen von besonderer Bedeutung, denn Netzbetreiber investieren langfristig. Fristenkongruent finanzierte langlebige Investitionen, die sich derzeit im Bestand der Netzbetreiber befinden, konnten in den vergangenen Jahren im Umfeld äußerst niedriger Zinssätze auch langfristig entsprechend günstig finanziert werden. Die Zinssatzentscheidung weit im Vorfeld des Beginns der vierten Regulierungsperiode hat hierfür die benötigte Planungssicherheit gewährleistet. Netzbetreiber haben sich entschieden unter diesen Rahmenbedingungen Netze weiter zu betreiben oder an andere Investoren abzugeben. Überwiegend ist trotz einer Vielzahl an Offerten die Entscheidung gefallen, weiterhin den Netzbetrieb selbst fortzusetzen. In vielen Fällen wurden im Nachgang der EK-Zinssatzentscheidung sogar große Investitionsprogramme angekündigt. (vgl. bspw. entsprechende Pressemitteilungen des größten deutschen Netzbetreibers „E.ON investiert 27 Milliarden Euro bis 2026 in Energiewende (eon.com)“ (Link zur Pressemitteilung). Insofern ist eine Erhöhung der Eigenkapitalzinsen für Bestandsinvestitionen nicht gerechtfertigt.

Durch die Erhöhung der Eigenkapitalzinsen für Neuinvestitionen sollen hingegen die notwendigen Investitionen angereizt werden. Dieser Anreiz erfasst sowohl Netzerweiterungen als auch notwendigen Ersatz bestehender Infrastruktur – beides ist Gegenstand des KKauf.

7. Warum entfällt die Verfügbarkeits- und Liquiditätsprämie?

Zum Zeitpunkt der Festlegung der regulatorischen EK-Zinssätze war über den betrachteten Zeitraum von zehn Jahren für die Verfügbarkeits- und Liquiditätsprämie eine Bandbreite von 0 Prozent bis 0,79 Prozent erkennbar, aus der eine Anhebung des Zinssatzes begründbar wurde, um die international verwendete risikolose Verzinsung der Wagniszuschlagbestimmung kongruenter zur nationalen Basiszinsvorgabe auszugestalten. Durch den mit der vorgesehenen Änderung des Zeitraums zur Mittelwertbildung der Umlaufsrendite als Schätzgröße hin zur tatsächlich eingetretenen Basisverzinsung entfallen derartige Anpassungsüberlegungen. Auch das stark gefallene Beta (eigentlich 0,7 anstelle 0,81) wird analog nicht aktualisiert. Im Ergebnis wird der Wagniszuschlag der letzten Festlegung ohne Modifikationen konstant fortgeführt.

8. Welche Unterschiede bestehen für ÜNB/FLNB und VNB?

Mit Beginn der vierten Regulierungsperiode wurde auch für ÜNB/FLNB der Kapitalkostenabgleich eingeführt, wodurch das geplante Vorgehen auch für diese Netzbetreiber Anwendung finden kann. Eine Anpassung der Zinssätze für die noch im „alten“ IMA-Regime befindlichen Anlagen ist nicht vorgesehen. Eine Überführung sämtlicher Investitionsprojekte aus genehmigten Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV in den Kapitalkostenabgleich wird, soweit notwendig, ermöglicht werden.

9. Welche Wirkungen hat die vorgesehene Anpassung der Kapitalvergütung auf den Netzausbau von Verteiler- und Übertragungsnetzbetreibern?

Für die Energiewende und die zügige Integration von neuen Erzeugern auf der einen und neuen Verbrauchern auf der anderen Seite ins Energiesystem müssen die Übertragungs- und Verteilernetze ertüchtigt werden. Das für die dafür notwendigen Investitionen benötigte Kapital muss den Netzbetreibern langfristig angemessen vergütet werden, damit ein zügiger Netzausbau nicht an fehlendem Geld scheitert. Mehr Geld führt allerdings nicht automatisch zu mehr Netzausbau. Zudem dürfen nicht – gerade im Hinblick auf die zukünftig anstehende Transformation der Gasnetze – falsche Anreize gesetzt werden. Die Interessen von Netznutzern wie Haushalten, Gewerbe und Industrie müssen daher mit den Interessen der Netzbetreiber stets gut abgewogen werden.

10. Welche Bedeutung hat die regulatorische Verzinsung des Eigenkapitals?

Ertragsseitig ist der regulatorische EK-Zinssatz ein Faktor, der die Höhe Rendite der Netzbetreiber beeinflusst – ein nicht unwesentlicher Faktor, aber auch nur einer von vielen. Die Regulierung setzt intrinsische Anreize und erlaubt aus ihnen heraus systematisch, dass Netzbetreiber in der Lage sind, auch höhere EK-Renditen zu erwirtschaften, als es die kalkulatorischen EK-Zinssätze vermuten ließen. Blicke in die EK-Ausstattung und die -Renditen der Netzbetreiber lassen in der Breite nach wie vor auf attraktive Rahmenbedingungen und eine auskömmliche Renditesituation schließen.

11. Sind die EK-Zinssätze für deutsche Netzbetreiber auch für internationale Investoren attraktiv?

Regulierte Netzbetreiber erhalten nicht nur in internationalen Vergleichen unterschiedlich hohe kalkulatorische Vergütungen des eingesetzten Kapitals. In europäischen Ländern sind auch zum Beispiel nach Energieträger oder Druckstufe bzw. Spannungsebene differenzierte Zinssätze vorhanden. Ein isolierter Vergleich regulatorischer Zinssätze ist zwar relativ einfach und plakativ, internationale Geldgeber bewerten ihre Investitionsmöglichkeiten aber insbesondere mit Blick auf das Verhältnis von erwarteter Rendite und vorhandenen Risiko. Daher sind zum Beispiel die Methode zur Berechnung der Verzinsungsbasis, das Länderrating, die Existenz eines Regulierungskontos oder die Sicherheit und Stabilität eines regulatorischen Regimes für Investoren von nicht von minderwichtiger Bedeutung wie die Höhe des Werts der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung. Die Verlässlichkeit in die Regulierung sowie die Sicherheit über schnelle und angemessene Mittelrückflüsse in Deutschland gewährleisten für internationale Investoren auch in Zeiten einer dynamischen Zinsentwicklung die ungebrochene Attraktivität von Investitionen in deutsche Energienetze.

12. Werden die EK-Zinssätze auch für deutsche Offshore-Netzbetreiber und Interkonnektoren angepasst?

Das Instrument des Kapitalkostenabgleichs existiert für Offshore-Netzbetreiber nicht, die allerdings auch nicht direkt einer Anreizregulierung unterliegen. Für diese Netzbetreibergruppe sieht der aktuelle Gesetzentwurf vor, dass es eine separate Festlegung zur Kostenbestimmung geben wird. Da sich diese jedoch sehr stark an den üblichen kalkulatorischen Rahmenbedingungen der Onshore-Netze anlehnen wird, ist eine Erhöhung der EK-Zinssätze auch für die Offshore-Neuinvestitionen zu erwarten. Die Eckpunkte werden separiert konsultiert. Dies gilt analog für Interkonnektoren.

Weitere Informationen

Zur Festlegung
Zur aktuellen Pressemitteilung
Mehr zur Anreizregulierung finden Sie auf den folgenden Seiten: www.bundesnetzagentur.de/anreizregulierung
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