Vereinfachte Genehmigung
Betreiber von örtlichen Schienennetzen, deren Infrastrukturen nicht von strategischer Bedeutung sind, können gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1, Halbsatz 2 ERegG (§ 2 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 2 ERegG a.F.) von ausgewählten Vorschriften der Entgeltregulierung befreit werden. Daneben sind auch Betreiber der Schienenwege, die unter den Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1 Nr. 2 ERegG fallen, von einigen Vorschriften der Entgeltregulierung ausgenommen.
In beiden Fällen unterliegt der Betreiber der Schienenwege (BdS) dem sog. „vereinfachten Genehmigungsverfahren“ gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ERegG.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 ERegG ist die Genehmigung dann zu erteilen, wenn die Anforderungen des § 32 ERegG erfüllt sind. Letzterer bestimmt, dass die Entgelte für die Erbringung von Leistungen so bemessen sein müssen, dass sie [in Summe] die Kosten für die Erbringung dieser Leistungen, zuzüglich eines angemessenen Gewinns, nicht übersteigen und überdies [im Einzelnen] angemessen, nichtdiskriminierend und transparent sind. Die Betreiber der Schienenwege (BdS) müssen im Rahmen dieses „vereinfachten Genehmigungsverfahrens“ nur die beabsichtigten Entgelte zur Genehmigung einreichen, nicht jedoch die Entgeltgrundsätze.
Ein Betreiber, der gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 ERegG bzw. gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 2 ERegG von der Anwendung des § 34 Abs. 3 ERegG befreit oder ausgenommen ist und neben Schienenwegen zugleich Personenbahnsteige* oder Laderampen** betreibt, hat gemäß § 10a Abs. 4 ERegG die Wahl, ob er die Entgelte für die Gesamtheit seiner Eisenbahnanlagen nach den Vorschriften für Betreiber der Schienenwege ermittelt (Nr. 1), d. h. die Entgelte für die Nutzung der Personenbahnsteige und Laderampen in den Trassenpreis integriert, oder für Schienenwege, Personenbahnsteige und Laderampen getrennt ermittelt (Nr. 2).
Bei Ausübung des Wahlrechts nach Nr. 1 bestünde die Notwendigkeit, ein einheitliches Genehmigungsverfahren gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ERegG für die Entgelte der Nutzung der Schienenwege, der Personenbahnsteige und der Laderampen anzustrengen. Da zudem in der Regel neben den Bahnsteigen auch eine Serviceeinrichtung Personenbahnhof verbleibt, müssten die Entgelte für deren Nutzung zudem im Rahmen eines Unterrichtungsverfahrens nach §§ 72 Satz 1 Nr. 5, 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG mitgeteilt und gesondert ausgewiesen werden.
Bei Ausübung des Wahlrechts nach Nr. 2 bestünde demgegenüber die Notwendigkeit, die Entgelte für die Nutzung der Schienenwege in einem Verfahren nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ERegG genehmigen zu lassen. Daneben müssten die Entgelte für die Nutzung der Personenbahnsteige, der Personenbahnhöfe und der Laderampen – jeweils getrennt voneinander ausgewiesen – in einem zusätzlichen Unterrichtungsverfahren gemäß §§ 72 Satz 1 Nr. 5, 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG mitgeteilt werden.
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ERegG normiert keine Regelung zum formalen Genehmigungsverfahren selbst, weshalb § 46 ERegG analoge Anwendung findet.
Im Gegensatz zum „großen Genehmigungsverfahren“ ergeben sich bei der Entgeltregulierung im Rahmen des „vereinfachten Genehmigungsverfahrens“ vor allem vier Erleichterungen:
1. Keine Geltung der Anreizsetzung gemäß §§ 25 ff. ERegG.
2. Keine Pflicht zur Vollkostendeckung und zur Erhebung von Vollkostenaufschlägen.
3. Einige Regelungen zu „weiteren Entgeltkomponenten“ gelten nicht.
Die weiteren Entgeltkomponenten der §§ 35, 36 und 38 ERegG betreffen u.a. die Gewährung von Entgeltnachlässen, die Aufstellung eines Anreizsystems oder die lärmabhängigen Entgeltbestandteile. Diese Regelungen sind ebenso nicht anwendbar. Für Betreiber, die gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 ERegG von § 40 ERegG befreit sind, entfällt zudem die Pflicht Stornierungsentgelte aufzustellen.
Gemäß § 23 Abs. 1 ERegG müssen Entgeltdifferenzierungen innerhalb von Verkehrsdiensten im gesamten Netz des Betreibers gelten. Zudem sind gemäß § 23 Abs. 2 ERegG die Entgelte für die jeweiligen Leistungen netzweit zu mitteln bzw. haben auf denselben Grundsätzen zu beruhen. Beide Regelungen sind im „vereinfachten Genehmigungsverfahren“ dann nicht anzuwenden, wenn gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 ERegG eine entsprechende Befreiung erteilt wurde. Liegt eine solche Befreiung nicht vor, ist also nur der Ausnahmetatbestand des § 2a Abs. 1 Nr. 2 ERegG erfüllt, findet § 23 Abs. 1 ERegG Anwendung
Zu beachten ist auch, dass dann, wenn keine Befreiung gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 ERegG von § 31 Abs. 1 ERegG vorliegt, die Entgelte in Euro je Trassenkilometern auszuweisen sind und mit diesem Entgelt die gesamten Leistungen des Mindestzugangspaketes abgegolten sein müssen.
4. Kein Genehmigungserfordernis für Entgeltgrundsätze.
Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 ERegG verweist für die materiellen Voraussetzungen auf die Anforderungen des § 32 ERegG. Danach dürfen die Entgelte für die Erbringung von Leistungen die Kosten für deren Erbringung, zuzüglich eines angemessenen Gewinns, nicht übersteigen. Des Weiteren sind die Entgelte so zu bemessen, dass sie angemessen, nichtdiskriminierend und transparent sind.
Der Begriff „angemessener Gewinn“ ist gemäß § 1 Abs. 9 ERegG gesetzlich definiert als eine Eigenkapitalrendite, die dem Risiko des Betreibers oder dem Fehlen eines solchen Risikos Rechnung trägt und von der durchschnittlichen Rendite der Vorjahre im betreffenden Sektor nicht wesentlich abweicht. Zur Bestimmung einer gesetzkonformen Eigenkapitalrendite verwendet die Bundesnetzagentur das „Capital Asset Pricing Model“ (CAPM) als Berechnungsgrundlage.
Aus dem Gebot der Angemessenheit*** folgt nach heutigem Stand , dass Leistungen zu Bedingungen angeboten werden müssen, die eine möglichst optimale Erfüllung der Regulierungsziele gewährleisten. Nutzungsbedingungen sind dabei unter Beachtung einer gewissen Vertragsgestaltungsfreiheit des Betreibers dann angemessen, wenn sie sich vor dem Hintergrund dieser Regulierungsziele und einer möglichst guten Gewährleistung des Zugangsrechts als gerecht und billig erweisen.
Das Gebot der Diskriminierungsfreiheit*** i. S. d. §. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ERegG beinhaltet unter anderem, dass miteinander im Wettbewerb stehende Zugangsberechtigte nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt bzw. einzelnen Zugangsberechtigten nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vor- bzw. Nachteile gegenüber anderen Zugangsberechtigten eingeräumt werden dürfen.
Das Gebot der Transparenz*** i. S. d. § 32 Abs. 2 Satz 1 ERegG verlangt insbesondere, dass Bestimmungen klar, nachvollziehbar, bestimmbar und überprüfbar sind. Es dürfen keine ungerechtfertigten Auslegungsspielräume verbleiben. Die Vorgabe transparenter Grundsätze stellt insbesondere auch klar, dass die Zugangsberechtigten in die Lage versetzt werden müssen, die Entgelte für die von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen nachrechnen zu können und dass die Grundsätze, auf denen die Entgelte gebildet werden, nachvollziehbar sind.
*Eine Definition der Personenbahnsteige enthält § 1 Abs. 26 ERegG. Danach sind Personenbahnsteige der am Schienenweg gelegene Bereich für den Ein- und Ausstieg von Fahrgästen einschließlich aller Aufbauten und Einrichtungen, die nicht gesetzlich dem Betrieb des Personenbahnhofs zugewiesen sind. Demgegenüber legt Anlage 2 Nr. 2 Buchst. a) zum ERegG fest, welche Aufbauten bzw. Einrichtungen der Serviceeinrichtung Personenbahnhof zugehörig sind. Daraus kann geschlossen werden, dass neben dem Bahnsteigkörper selbst jedenfalls die Beleuchtung und das taktile Leitsystem sowie Zugangswege vom Mindestzugangspaket umfasst sind, während Reisendeninformationssysteme, Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf und alle nicht zwingend verkehrsnotwendigen Aufbauten zur Serviceeinrichtung Personenbahnhof zählen.
** Gemäß § 1 Abs. 27 ERegG handelt sich bei Laderampen um an Schienenwegen liegende ortsfeste bauliche Anlagen, die die Be- und Entladung von Güterwagen erleichtern, indem sie der Überwindung des Höhenunterschieds zwischen dem Güterwagen und der Umgebung dienen.
*** Inhalt und Umfang sind von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.