Große Ge­neh­mi­gung

Nach dem gesetzlichen Regelfall haben Betreiber der Schienenwege (BdS) ihre Entgelte und Entgeltgrundsätze genehmigen zu lassen und durchlaufen somit das sog. „große Genehmigungsverfahren“ gemäß den §§ 45 und 46 ERegG. Die Genehmigung ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG zu erteilen, soweit die Ermittlung der Entgelte den Anforderungen der §§ 24 bis 40 und 46 und die Entgeltgrundsätze den Vorgaben der Anlage 3 Nr. 2 zum ERegG entsprechen. Werden Schienenwege zusammen mit Personenbahnsteigen oder Laderampen betrieben, gelten gemäß § 10a Abs. 3 ERegG die Vorschriften für Betreiber der Schienenwege.

Für beide Komponenten ist ein gemeinschaftlicher Trassenpreis zu bilden und zur Genehmigung einzureichen. Die BdS unterliegen bei dem „großen Genehmigungsverfahren“ einer Anreizsetzung sowie spezifischen Preisbildungsregeln und haben weitere, teils obligatorische, Entgeltgrundsätze zu beachten. Der Ablauf der Entgeltregulierung für BdS im Rahmen des „großen Genehmigungsverfahrens“ besteht dabei aus drei Schritten.


Schritt 1: Festlegung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten

Die Grundlagen der Anreizsetzung sind in den §§ 25 bis 30 ERegG geregelt. Danach soll die Anreizsetzung über eine Regulierungsperiode von fünf Jahren erfolgen. In einem ersten Schritt legt die Regulierungsbehörde gemäß § 25 Abs. 1 ERegG das Ausgangsniveau der Gesamtkosten (AGK) und die Betriebsleistung durch Verwaltungsakt fest. Die Ermittlung des AGK beruht auf den durchschnittlichen Kosten und Verkehrsmengen des jeweiligen Betreibers der Schienenwege für einen Bezugszeitraum von bis zu fünf abgeschlossenen Geschäftsjahren der Vergangenheit (Basisjahr). Der relevante Zeitraum ist von der Bundesnetzagentur festzulegen. Die Kosten des Basisjahres und die Betriebsleistung sind gemäß Anlage 4 Nr. 1.3 zum ERegG bis zum Jahr vor Beginn der Regulierungsperiode fortzuschreiben.


Schritt 2: Festlegung der Obergrenze der Gesamtkosten

Ausgehend vom Ausgangsniveau der Gesamtkosten wird in einem zweiten Schritt gemäß § 25 Abs. 2 ERegG eine Obergrenze der Gesamtkosten (OGK) für jede Netzfahrplanperiode per Beschluss festgelegt. Die Obergrenze errechnet sich aus dem AGK, zuzüglich eines im Laufe der Regulierungsperiode kumulierten Betrags auf der Grundlage einer Inflationierung (PI) gemäß § 28 Abs. 1 ERegG, abzüglich eines im Laufe der Regulierungsperiode kumulierten Betrags auf der Grundlage des Produktivitätsfortschritts (PF) gemäß § 28 Abs. 2 ERegG. Darüber hinaus kann die OGK bei Erfüllung der nachfolgenden Tatbestandsvoraussetzungen weiteren Anpassungen unterliegen:

§ 25 Abs. 3 bis 5 ERegG: Mehraufwand wegen Vereinbarungen in einer qualifizierten Regulierungsvereinbarung.
§ 26 Abs. 1 ERegG: Unerreichbarkeit der Obergrenze der Gesamtkosten, weil die Effizienzanreize zu streng sind.
§ 27 Abs. 1 ERegG: Besondere oder unvorhergesehene Mehrbelastungen, die bestimmte Kriterien erfüllen.
§ 29 Abs. 5 ERegG: Betrag bei dem wegen einer qualifizierten Regulierungsvereinbarung weder ein Inflationsausgleich noch ein Produktivitätsfortschritt in Anrechnung zu bringen ist.


Schritt 3: Genehmigung der Entgelte und Entgeltgrundsätze

In einem dritten Schritt folgt das Entgeltgenehmigungsverfahren gemäß den §§ 45 und 46 ERegG.

Die Formalien des Entgeltgenehmigungsverfahrens sind dem allgemeinen Leitfaden für Betreiber der Schienenwege zu entnehmen.

Die Entgelte in einer Netzfahrplanperiode sind grundsätzlich genehmigungsfähig, wenn die kalkulatorischen Erlöse zzgl. möglicher sonstiger Entgeltkomponenten (z. B. Stornierungs- und Änderungsentgelte) die Obergrenze der Gesamtkosten nicht überschreiten und der Betreiber der Schienenwege gleichzeitig mit der Summe der nach § 26 Abs. 2 ERegG ermittelten Entgelte die Gesamtkosten des Mindestzugangspakets decken kann. Ein niedrigeres Entgeltniveau (Preise x Mengen < OGK) ist gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 ERegG möglich, wenn eine ggf. daraus folgende Kostenunterdeckung voraussichtlich nur vorrübergehend ist oder die Gesamtkosten anderweitig gedeckt werden.

Hinsichtlich der Preisbildung sind Vorgaben in den §§ 31 bis 40 ERegG zwingend zu beachten. Danach ist zu berücksichtigen, dass die Preise aus einem Sockelbetrag sowie einem Aufschlag zu bilden sind. Der Sockelbetrag muss den Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs (uKZ) gemäß § 34 Abs. 3 ERegG entsprechen. Die uKZ sind solche Kosten, die im bestehenden Streckennetz durch eine spürbare Mengenänderung an Trassenkilometer als Mehrkosten entstehen. Hierzu enthält die Durchführungsverordnung (EU) 2015/909 der EU-Kommission spezifische Berechnungsvorgaben. Der Aufschlag gemäß § 36 Abs. 1 ERegG dient der Fixkostendeckung. Bei der Aufschlagsbildung ist sicherzustellen, dass die Belastbarkeit der jeweiligen Verkehrsdienste bzw. Marktsegmente berücksichtigt ist. Hierzu ist zunächst festzustellen, welche Verkehrsdienste und Marktsegmente für einen Betreiber der Schienenwege relevant sind. Zwingend ist eine Preisdifferenzierung nach Schienengüterverkehr (SGV), Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und sonstigen Verkehren im öffentlichen Dienstleistungsauftrag sowie Schienenpersonenfernverkehren (SPFV) (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ERegG). Unterhalb dieser Verkehrsdienste ist im Bedarfsfall die Abgrenzung weiterer Marktsegmente vorgesehen. Als Hilfestellung dient hierfür die in Anlage 7 Nr. 1 zum ERegG geltende Liste.

Die jeweiligen Aufschläge auf die Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs sind sodann so zu bilden, dass gemäß § 36 Abs. 1 ERegG die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes gewährleistet wird. Aus ökonomischer Perspektive wird die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit aller Segmente des Eisenbahnmarkts – unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Bedingung einer Fixkostendeckung – durch Anwendung der Preisbildungsregelung nach Ramsey-Boiteux erreicht. Zur Anwendung dieser Preisbildungsregelung werden zunächst die uKZ für jedes Marktsegment festgestellt. Danach werden die bislang nicht auf die Marktsegmente zugeordneten Fixkosten auf die uKZ aufgeschlagen. Zur Aufteilung der Kosten auf die unterschiedlichen Marktsegmente ist deren Preisreagibilität entscheidend. Die Preisreagibilität drückt aus, in welchem Umfang die Nachfrage nach Trassen auf eine definierte Preisvariation bei den Trassenentgelten reagiert. Je stärker die nachgefragte Menge auf eine Preisänderung reagiert, desto geringer ist die Tragfähigkeit des Segments und desto geringer fällt ceteris paribus der relative Aufschlag für dieses Segment im Vergleich zu anderen Segmenten aus. Marktsegmente, in denen derzeit kein Verkehr festzustellen ist, erhalten keinen Aufschlag und sind mit den Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs zu bepreisen. Sollten im Verlauf der Netzfahrplanperiode entsprechende Verkehre neu hinzukommen, tragen diese in dieser Netzfahrplanperiode nur die Kosten, die sie unmittelbar verursachen. Hierdurch entsteht dem Betreiber der Schienenwege kein Verlust, weil die Fixkosten bereits auf die anderen Nutzer verteilt wurden.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass bei bundeseigenen BdS die Ermittlung der Entgelte für den SPNV gemäß § 37 ERegG erfolgt. Danach haben bundeseigene BdS für Länder, denen vom Bund Mittel zur Förderung insbesondere des SPNV zur Verfügung stehen (im Folgenden: Regionalisierungsmittel), die Höhe der Entgelte für die Nutzung der Eisenbahnanlagen je Land festzulegen. Zudem sind die Entgelte für jedes Land so zu bemessen, dass sie den durchschnittlichen Entgelten der betroffenen Verkehre im jeweiligen Land in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 entsprechen. Soweit sich der Gesamtbetrag der den Ländern zustehenden Regionalisierungsmittel seit dem Jahr 2021 bis zu dem Jahr, in dem das Entgelt tatsächlich zu zahlen ist, geändert hat, sind die Entgelte mit der in § 5 Absatz 3 des Regionalisierungsgesetzes festgesetzten jährlichen Änderungsrate (1,8 % bis zum Jahr 2025) anzupassen (sog. Trassenpreisbremse). Durch diese Preisbildungsregel im SPNV soll ein Gleichlauf zwischen der Veränderung der Regionalisierungsmittel und der Kosten der Zugangsberechtigten durch die Trassenpreise hergestellt werden.

Weitere Entgeltkomponenten

Zudem unterliegen weitere Entgeltkomponenten ebenfalls einer Genehmigungspflicht. Hierbei lassen sich verpflichtende von optionalen gesetzlichen Vorgaben unterscheiden.

Verpflichtende weitere Entgeltkomponenten

Auswirkungen eines Anreizsystems gemäß § 39 Abs. 2 und 3 ERegG

Ein BdS hat gemäß § 39 Absatz 2 ERegG ein sog. Anreizsystem aufzustellen, welches durch leistungsabhängige Bestandteile sowohl dem jeweiligen BdS als auch den Eisenbahnverkehrsunternehmen Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes bietet. Das Anreizsystem kann Vertragsstrafen für Störungen des Netzbetriebes, eine Entschädigung für Störungen und Bonusregelungen umfassen. Anlage 7 Nr. 2 zum ERegG beinhaltet gemäß § 39 Abs. 3 ERegG diejenigen Grundsätze, die das Anreizsystem eines BdS beinhalten muss.

Stornierungsentgelt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 3 und 4 ERegG

§ 40 ERegG ist die gesetzliche Grundlage für die Erhebung von sogenannten Stornierungsentgelten. Es handelt sich um Entgelte, die ein Eisenbahnverkehrsunternehmen an einen BdS zahlen muss, wenn es eine vertraglich zugewiesene Schienenwegkapazität nicht in Anspruch nimmt. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 3 ERegG muss ein BdS Stornierungsentgelte erheben, wenn ein Zugangsberechtigter zugewiesene Trassen regelmäßig nicht benutzt. Zudem sind neben dem Stornierungsentgelt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 ERegG die Kriterien für die Feststellung einer solchen Nichtnutzung in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen des BdS festzuhalten und zu veröffentlichen.

Lärmabhängige Entgeltkomponente im SGV gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 ERegG

§ 35 Abs. 2 Satz 3 ERegG verpflichtet die BdS dazu, bei der Entgeltermittlung für den SGV eine lärmabhängige Entgeltkomponente einzuführen. Somit sollen für den SGV Anreize geschaffen werden, die vorhandenen Wagen auf eine lärmmindernde Technik umzurüsten. Näher bestimmt wird diese Vorgabe gemäß § 35 Abs. 3 ERegG durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/429 der EU-Kommission. Gemäß Artikel 3 dieser Durchführungsverordnung musste das Trassenpreissystem bis zum 31.12.2021 eine lärmabhängige Entgeltkomponente enthalten. In Deutschland wurde mit Beginn der Netzfahrplanperiode 2020/2021 die Erhebung der lärmabhängigen Entgeltkomponente eingestellt, da durch das Schienenlärmschutzgesetz (SchlärmschG) vom 20.07.2017 das Fahren oder Fahrenlassen von lauten Güterwagen mit Beginn des Netzfahrplans 2020/2021 verboten ist.

Differenzierung zur ETCS-Förderung gemäß § 36 Abs. 5 ERegG

Gemäß der Entgeltermittlungsvorschrift des § 36 Abs. 5 ERegG sollen BdS durch die Differenzierung in den Entgelten Anreize dafür schaffen, dass Züge mit dem sog. European Train Control System (ETCS) ausgestattet werden. Nach dieser Vorschrift ist lediglich die Entgeltbildung auf den durch Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/919 der EU-Kommission in Bezug genommenen Eisenbahnkorridoren nach Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2017/6 der EU-Kommission direkt betroffen, wobei es dem BdS freisteht, die Differenzierung von Entgelten auch auf Schienenstrecken auszuweiten, die nicht in der Verordnung (EU) 2016/919 genannt sind. Die Regulierungsbehörde kann dem BdS Vorgaben zum Umfang und zur Art und Weise der Differenzierung machen.

Optionale weitere Entgeltkomponenten

Entgeltnachlässe gemäß § 38 Abs. 3 ERegG

§ 38 ERegG ermöglicht dem BdS, den EVU Nachlässe auf die bis hierhin ermittelten Entgelte einzuräumen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 2 bis 5 beachtet werden. Die Nachlässe sind gemäß § 38 Abs. 2 ERegG auf die tatsächlich eingesparten Verwaltungskosten des BdS zu begrenzen. Zudem dürfen sich die Entgelte nur auf einen bestimmten Streckenabschnitt beziehen (§ 38 Abs. 4 ERegG) und müssen auf alle EVU in angemessener, nichtdiskriminierender und transparenter Weise angewandt werden (§ 38 Abs. 5 ERegG). Bei § 38 Abs. 3 ERegG handelt es sich um zwei Ausnahmen zu Absatz 2, in denen der BdS auch über die tatsächliche Kostenersparnis hinaus Entgeltnachlässe gewähren darf. Dies kann einerseits zur Förderung der Entwicklung neuer Eisenbahnverkehrsdienste geschehen, andererseits zur Förderung der Benutzung von Strecken mit sehr niedrigem Auslastungsgrad.

Fakultatives Stornierungsentgelt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG

§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ERegG normieren die gesetzliche Grundlage für die Erhebung von sogenannten Stornierungsentgelten und ermöglichen es dem BdS, auch außerhalb der Regelmäßigkeit der Nichtnutzung (§ 40 Abs. 1 Satz 3 ERegG) von einem EVU Entgelte für die Stornierung von zugewiesenen Trassen verlangen zu können.

Knappheitsbedingte Entgeltbestandteile gemäß § 35 Abs. 1 ERegG

§ 35 Abs. 1 ERegG ermöglicht eine Entgelterhöhung für überlastet erklärte Streckenabschnitte innerhalb des Zeitraums der Überlastung, um eine ausgewogenere Auslastung zu erreichen.

Umweltbezogene Auswirkungen gemäß § 35 Abs. 2 ERegG

Gemäß § 35 Abs. 2 ERegG können die BdS die ermittelten Entgelte ändern, um den Kosten der durch den Zugbetrieb verursachten umweltbezogenen Auswirkungen Rechnung zu tragen.

Berücksichtigung von Investitionsvorhaben gemäß § 36 Abs. 4 ERegG

§ 36 Abs. 4 ERegG ist ein Sonderfall der optionalen Entgelterhöhung. Denn gemäß dieser Vorschrift ist es erlaubt, höhere Entgelte festzusetzten, um die langfristigen Kosten von nach 1988 abgeschlossen oder zukünftigen Investitionsvorhaben unter bestimmten Voraussetzungen auf die Zugangsberechtigten umlegen zu können.

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