Die Eu­ro­pean Block­chain Ser­vices In­fra­struc­ture (EB­SI)

Die EBSI wird gemeinsam von der EU-Kommission und den teilnehmenden Mitgliedsstaaten betrieben, die dafür jeweils eigene Blockchain-Knoten bereitstellen. Sie soll höchsten Sicherheits- und Datenschutzansprüchen genügen, energieeffizient sein und so weit wie möglich auf offenen, interoperablen technischen Standards und Protokollen basieren.

Im April 2018 haben 21 EU-Mitgliedsstaaten und Norwegen die European Blockchain Partnership gegründet. Im Rahmen dieses europäischen Gemeinschaftsprojekts verfolgen die teilnehmenden Staaten das Ziel, zusammen mit der Europäischen Kommission eine europaweite Blockchain-Infrastruktur (die sog. European Blockchain Services Infrastructure, kurz EBSI) aufzubauen, auf der ab dem Jahr 2021 eine Vielzahl von sowohl grenzüberschreitenden als auch nationalen Verwaltungsdiensten auf Basis der Blockchain-Technologie angeboten werden sollen. Angedacht ist, dass perspektivisch auch privatwirtschaftliche Akteure blockchainbasierte Anwendungen über die EBSI anbieten können. Der European Blockchain Partnership sind in der Zwischenzeit acht weitere europäische Staaten beigetreten, sodass sich mittlerweile (Stand August 2021) 29 europäische Staaten an dem Projekt beteiligen (das Vereinigte Königreich, eines der Gründungsmitglieder des Projekts, ist aufgrund des Brexit kein aktives Mitglied der European Blockchain Partnership mehr).

Die EBSI ist konzipiert als öffentliche, zugangsbeschränkte (Public permissioned) Blockchain-Infrastruktur. Öffentlich zugänglich ist sie im Hinblick auf den Kreis derjenigen, die die angebotenen Dienste des Blockchain-Netzwerks in Anspruch nehmen möchten (Europäische Behörden, Bürger und Unternehmen). Zugangsbeschränkt ist EBSI im Hinblick auf den Kreis derjenigen, die die Blockchain-Infrastruktur bereitstellen und weiterentwickeln. Dies sind die Mitglieder der European Blockchain Partnership und die EU-Kommission. Für die Bundesrepublik Deutschland ist auch die Bundesnetzagentur seit Anfang 2019 in verschiedenen Arbeitsgruppen des EBSI-Projekts tätig und beteiligt sich durch den Betrieb eines eigenen EBSI-Knotens in ihrem Rechenzentrum in Mainz am Aufbau der europäischen Blockchain-Infrastruktur.

Aktuelle EBSI-Anwendungen

Die folgenden EBSI-eigenen Anwendungen / Use Cases werden seit dem Jahr 2019 entwickelt und sollen im Laufe des Jahres 2021 in den Produktivbetrieb übergehen:

  1. Ziel des European Self-Sovereign Identity Use Case ist die blockchainbasierte Etablierung von digitalen Identitäten auf Basis des Self-Sovereign Identity-Ansatzes (siehe dazu den Abschnitt zu Selbstsouveränen Digitalen Identitäten im vorherigen Kapitel). Der Self-Sovereign Identity Use Case wird damit die Basis für eine Vielzahl von EBSI-Anwendungen bilden.
  2. Der Notarisation of Documents Use Case richtet sich in erster Linie an europäische Rechnungshöfe und Prüfbehörden von EU-Fördermitteln. Dieser Use Case basiert vor allem auf der Möglichkeit der Blockchain-Technologie, Dokumente eindeutig auf ihre Echtheit und ihre Gültigkeit überprüfen und beglaubigen zu können. Das Ziel dieses Use-Cases ist es, einen vollständigen „Audit Trail“ zu schaffen, d.h. der gesamte Zuwendungsprozess von EU-Fördermitteln von der Antragstellung über die Antragprüfung bis hin zur Auszahlung und Überprüfung des rechtmäßigen Einsatzes der Fördermittel soll über diese Blockchain-Anwendung verwaltet werden können.
  3. Der Diplomas Management Use Case verfolgt das Ziel, die Echtheit von Bildungsabschlüssen (zunächst von Hochschulzeugnissen) über die Blockchain-Technologie europaweit nachweisen zu können. Absolventen sollen so zum Beispiel im Rahmen von Bewerbungsverfahren ihre Abschlusszeugnisse potenziellen Arbeitgebern einreichen können, die dann auf Basis dieses Use Cases mit Hilfe der Blockchain-Technologie die Authentizität der ihnen eingereichten Zeugnisse überprüfen können.
  4. Im Rahmen des Trusted Data Sharing Use Case sollen Steuerdaten zwischen Unternehmen, Zoll- und Steuerbehörden innerhalb der EU sicher ausgetauscht werden können. So soll die Erhebung und Abführung der Mehrwertsteuer vor allem beim Import von Waren von außerhalb der EU in die EU erleichtert und Mehrwertsteuerbetrug erschwert werden.

Seit dem Frühjahr 2021 werden die folgenden drei weiteren Anwendungen für die European Blockchain Services Infrastructure entwickelt:

  1. Mit Hilfe des Asylum Process Management Use Case soll die Umsetzung ausgewählter Aspekte des sog. Dublin-Verfahrens, insbesondere der Informationsaustausch bei Überstellungsprozessen von Asylsuchenden zwischen einzelnen Mitgliedsländern, erleichtert werden. Mit Hilfe der Blockchain-Technologie ist vor allem ein effizienter und datenschutzkonformer Austausch von Daten der Asylsuchenden zwischen den beteiligten Behörden in Europa möglich.
  2. Ziel des SME Financing Use Case ist die Schaffung einer europaweiten Plattform, die KMUs bei der Fremdkapitalaufnahme unterstützen soll, indem sie KMUs mit potenziellen Kapitalgebern zusammenbringt. Ein weiteres Ziel des Use Case ist es, durch die Emission von digitalen Unternehmensanleihen weitere Erfahrungen mit DLT-basierten Wertpapieren zu machen.
  3. Auf Basis des European Social Security Pass Use Case soll ein datenschutzkonformer Austausch von Informationen zwischen europäischen Behörden ermöglicht werden, um Sozialleistungsansprüche vor allem von europäischen Bürgern, die im Laufe ihres Erwerbslebens in unterschiedlichen europäischen Ländern leben und arbeiten (und möglicherweise ihren Ruhestand in einem weiteren europäischen Land verbringen), transparent zu machen. Durch die eindeutige Identifizierung und Zuordnung von Sozialleistungsansprüchen zu einzelnen Bürgern soll Sozialleistungsbetrug etwa durch doppelte Identitäten, die Verschleierung von Identitäten oder durch Doppelanträge auf Sozialleistungen in verschiedenen europäischen Ländern erschwert werden.

In den kommenden Jahren werden weitere EBSI-eigene Anwendungen entwickelt und über die EBSI-Infrastruktur bereitgestellt werden.

Integration weiterer Blockchain-Anwendungen in die EBSI

Die European Blockchain Services Infrastructure bietet als offenes, interoperables europäisches Blockchain-Netzwerk auch die Möglichkeit, eigene Blockchain-Anwendungen (zunächst vor allem blockchainbasierte Verwaltungsdienste, perspektivisch dann auch Anwendungen privatwirtschaftlicher Akteure) entwickeln zu können, um sie Bürgern, Unternehmen und anderen Behörden zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Dazu bietet EBSI eine Vielzahl von standardisierten, interoperablen Basisfunktionalitäten (sog. Core-Services), auf die bei der Entwicklung eigener Blockchain-Anwendungen zurückgegriffen werden kann. Mit Hilfe dieser Core-Services können zum Beispiel EBSI-Nutzerkonten eingerichtet, digitale Identitäten auf Basis des SSI-Konzepts geschaffen und verwaltet, eIDAS-konforme digitale Signaturen verwendet, digitale Zeitstempel genutzt oder Dokumente authentifiziert werden.


Unter diesem Link sind detaillierte Informationen zu den aktuellen EBSI-Use Cases, zu den Möglichkeiten, eigene Anwendungen in EBSI integrieren zu können und zum technischen Aufbau des EBSI-Netzwerks abrufbar.

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