Not­wen­dig­keit der Maß­nah­men nach § 23 Abs. 1 ARegV

Genehmigungsfähig gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV sind Maßnahmen, wenn sie zur Stabilität des Gesamtsystems, für die Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz oder für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig sind.

Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV benannten Merkmale stehen jeweils gleichwertig nebeneinander.

Bei tatbestandlicher Erfüllung eines Regelbeispiels nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV die Notwendigkeit der Investition nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV – soweit nichts Gegenteiliges bekannt ist – vermutet. Die Vermutung ist im Einzelfall widerlegbar.

Im Einzelnen zur Notwendigkeit der Maßnahmen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV:

Stabilität des Gesamtsystems (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 ARegV)
Investitionen zur Stabilität des Gesamtsystems umfassen Maßnahmen, die zu einer Erhöhung oder Aufrechterhaltung der Zuverlässigkeit bzw. Sicherheit im Gesamtsystem notwendig sind. Nach Ansicht der Beschlusskammer ist das Gesamtsystem im Sinne des § 23 ARegV als zusammenhängendes Gebilde von verschiedenen, miteinander interagierenden Netzen zu definieren. Ursächlich für die Notwendigkeit der Maßnahme sind in erster Linie Rückwirkungen von anderen Netzen auf die eigene Netzsituation, aber auch Änderungen bei technischen Standards. Innerhalb des Gesamtsystems haben Entscheidungen über bestimmte Maßnahmen eines Netzbetreibers Auswirkungen auf die Stabilität in anderen Netzen. Daraus erfolgt evtl. wiederum die Notwendigkeit, netzbezogene Maßnahmen in den vor- und nachgelagerten Netzen zu ergreifen.

Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 ARegV)
Das Merkmal „Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz“ im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV läuft in der Regel leer. Eine erstmalige Einbindung in das nationale Verbundnetz ist regelmäßig bereits gegeben. Auch das deutsche Netz ist bereits in die Netze der Nachbarstaaten eingebunden.

Bedarfsgerechter Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 ARegV)
Für den bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendige Investitionen erfassen sämtliche Maßnahmen, die aus einer aktuellen oder zu erwartenden Veränderung der Nachfrage auf der Ein- und / oder Ausspeiseseite eines Netzes resultieren.

Bedarfsgerecht sind Maßnahmen, die sowohl durch die Reaktion auf eine veränderte Nachfrage als auch durch die Prognose zu erwartender zukünftiger Nachfrageänderungen begründet sind. Die Veränderung der Nachfrage kann zum einen bewirken, dass die vorhandene Leistung bei Elektrizitätsnetzen bzw. die vorhandene Kapazität in Gasnetzen entsprechend der geänderten Nachfrage erweitert werden muss, und zum anderen, dass durch die aktuelle oder erwartete Nachfrageänderung eine Umstrukturierung der Netzinfrastruktur zur Sicherstellung der technischen Sicherheit vorgenommen werden muss.

Unter bedarfsgerechten Ausbau fallen weiterhin Maßnahmen, die der Befriedigung einer bereits vorhandenen bestehenden Nachfrage dienen, wenn bei Unterlassung der Maßnahmen die bereits vorhandene bestehende Nachfrage nicht mehr bedient werden kann. Der Bedarf ist dabei objektiv im Sinne einer „erforderlichen Menge“ zu verstehen.

Ein bedarfsgerechter Ausbau stellt die Befriedigung dieses Bedarfs und eines zukünftig zu erwartenden Bedarfs in ein Verhältnis zum entstehenden Aufwand und damit unter den Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit.

Besondere Stellung des Netzentwicklungsplans bei bedarfsgerechtem Ausbau des Energieversorgungsnetzes
Die Erforderlichkeit für den bedarfsgerechten Netzausbau kann für Maßnahmen, die der nationalen Netzentwicklungsplanung unterfallen, ausschließlich durch eine Bestätigung im Netzentwicklungsplan (NEP) nachgewiesen werden.

Mit dem Netzentwicklungsplan Strom bzw. Gas soll eine vollständige und zwischen allen Übertragungsnetzbetreibern zum einen und allen Fernleitungsnetzbetreibern zum anderen abgestimmte sowie von der Bundesnetzagentur bestätigte Bedarfsplanung für ein funktionierendes Gesamtsystem etabliert werden.

Soweit ein Investitionsprojekt im Rahmen des Netzentwicklungsplans Strom bzw. Gas durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden ist, geht die Beschlusskammer deshalb davon aus, dass die Erforderlichkeit für den bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes gegeben ist.

Um eine Umgehung der umfassenderen Bedarfsanalyse im Netzentwicklungsplan zu verhindern, gilt es im Umkehrschluss jedoch, eine Parallelprüfung im Rahmen der Anträge auf Genehmigung von Investitionsmaßnahmen zu vermeiden. Anträge auf Genehmigung von Investitionsmaßnahmen, die im Netzentwicklungsplan nicht als bestätigungsfähig angesehen worden sind, sind nicht bedarfsgerecht im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV.

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