BK7-17-050
Verfahren der Beschlusskammer 7
Einleitung eines Festlegungsverfahrens zur Umsetzung der Zielstellungen des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende im Gassektor
Die Beschlusskammer 7 hat am heutigen Tag ihr Festlegungsverfahren zur Umsetzung der Zielstellungen des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende eröffnet (Az.: BK7-17-050).
Art. 1 des Gesetzes setzte am 02.09.2016 das Messstellenbetriebsgesetz (im Weiteren: „MsbG“) in Kraft, das seitdem umfangreiche Vorgaben zum Einsatz von Messtechnik im deutschen Energiemarkt und zur Kommunikation der Messwerte zwischen den Marktakteuren macht. Das MsbG ersetzte zugleich die §§ 21b bis 21i Energiewirtschaftsgesetz (im Weiteren: „EnWG“) und die Messzugangsverordnung (MessZV). Die Gesamtheit der Vorgaben im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wirkte sich umfangreich auf die gesetzlichen Grundlagen aus, die der bis dahin praktizierten elektronischen Marktkommunikation zugrunde lagen. Ein Kernstück des MsbG bildet die weitreichende Verpflichtung der Marktbeteiligten im Energiesektor zum Einsatz neuer Messtechnologien sowohl im Strom- als auch in geringerem Umfang im Gasbereich (sog. Smart-Meter-Rollout). Das Gesetz sieht dabei einen Systemwechsel nicht nur im Hinblick auf die zu verwendenden Geräte, sondern auch bezüglich der grundsätzlichen Prozessabläufe bei der Erhebung und Verteilung von Messwerten vor.
Um den gesetzlich geforderten Systemwechsel vorzubereiten, haben die Beschlusskammern 6 und 7 am 21.12.2016 erste parallele Festlegungen getroffen, mit denen vor allem Übergangsbestimmungen in Kraft gesetzt wurden. Hierbei haben die Kammern deutlich gemacht, dass anschließend je Energiesektor zumindest eine weitere Festlegung zu treffen sei, mit der die mit dem MsbG gesetzlich vorgegebenen Zielstellungen vollständig und dauerhaft umgesetzt werden können. Das nunmehr eröffnete Verfahren dient der Abbildung dieses Zielmodells auf Ebene der Geschäftsprozesse zum Messwesen sowie zum Lieferantenwechsel ebenso wie auf der Ebene der elektronischen Marktkommunikation.
Für den Gassektor gilt es in diesem Zusammenhang einig weitere Vorfragen zu klären. Diese betreffen die Aufgabenverteilung zwischen Messstellenbetreibern und Netzbetreibern bei der Erhebung und Verteilung von Messwerten. Gemäß § 60 Abs. 1 MsbG obliegt es grundsätzlich dem Messstellenbetreiber, die Messwerte aufzubereiten und in dem gesetzlich geforderten Umfang an die zum Datenempfang berechtigten Stellen zu übersenden (Grundmodell). Er fungiert damit als zentrale Instanz, die nicht nur zur Gewährleistung der Datenqualität, sondern auch für die Abwicklung eines effizienten Datenverteilungsprozesses zuständig ist. Dies bedeutet eine gesetzliche Neuerung gegenüber dem bisherigen System. In diesem fungierte der Netzbetreiber als zentrale Datendrehscheibe. Für den Gassektor hat der Gesetzgeber im MsbG die Möglichkeit vorgesehen, Sonderregelungen zu dieser Systematik zu treffen. Diese können sich sowohl auf die Zuweisung der Zuständigkeiten als auch auf Abweichungen vom gesetzlich vorgesehenen Datenverteilungsprozess beziehen. Im Rahmen ihrer Festlegung vom 21.12.2016 hatte die Beschlusskammer 7 die Aufgabe der Messwerterhebung und -verteilung zunächst einmal abweichend vom Grundmodell des § 60 MsbG dem Netzbetreiber zugewiesen. Dieser Entscheidung kam jedoch lediglich ein Übergangscharakter zu. Vor dem Hintergrund der absehbar erforderlichen weiteren Festlegung zum Zielmodell hatte sich die Beschlusskammer dazu entschieden, zunächst einmal am Status quo der Datenverantwortlichkeit des Netzbetreibers festzuhalten, um den kurzfristigen Umsetzungsaufwand für die Marktbeteiligten möglichst gering zu halten und ggf. doppelte Systemwechsel zu vermeiden. Sie hat jedoch im Rahmen der Begründung ihres Beschlusses ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine abschließende materielle Modellentscheidung erst mit dem Zielmodell erfolgen wird.
Nach Einschätzung der Beschlusskammer 7 formt die durch den Gesetzgeber vorgegebene Regelungssystematik mit der Zuweisung der Aufgaben an den Messstellenbetreiber eine grundsätzlich auch für den Gassektor mögliche Prozessgestaltung aus. Gleichwohl bestehen aus ihrer Sicht bei der Ermittlung von abrechnungsrelevanten Messwerten im Gassektor aus technischen Gründen einige Besonderheiten. Diese resultieren vor allem daraus, dass in kWh ausgewiesene Messwerte im Gassektor anders als beim Strom nur unter Zuhilfenahme des jeweils für eine Marktlokation anzuwendenden Brennwertes sowie der Zustandszahl gebildet werden können. Bei diesen Berechnungsgrößen handelt es sich um Parameter, die in der Sphäre des Netzbetreibers zu ermitteln sind und daher originär bei ihm vorliegen. Soll der Messstellenbetreiber die auf die einzelnen Marktlokationen entfallenden Energiewerte ermitteln, so muss der Netzbetreiber ihm die erforderlichen Berechnungsparameter zur Verfügung stellen. Hierfür bedürfte es zumindest eines neuen, ergänzenden Prozessschrittes, der den Datenaustausch zwischen Netzbetreiber und Messstellenbetreiber regelt. Hierbei sind unterschiedliche Einzelaspekte mit einzubeziehen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem vorläufigen und dem für Abrechnungszwecke heranzuziehenden Brennwert zu unterscheiden ist, diese verschiedenen Brennwerte zu verschiedenen Zeitpunkten vorliegen bzw. erhoben werden müssen, zum anderen, dass für die Brennwerterhebung dem Netzbetreiber gegebenenfalls auch vorab Daten zur Verfügung gestellt werden müssen.
Aus Sicht der Beschlusskammer stellt die Verteilung der Zuständigkeit für die Datenerhebung und -verteilung eine grundlegende Vorfrage dar, die zu klären ist, bevor die Prozesse für das Messwesen im Detail abschließend ausgestaltet werden können. Die Beschlusskammer 7 erachtet es daher für sinnvoll, die Frage, ob für den Gassektor eine von der Stromregelung abweichende Ausnahme geschaffen werden soll, bereits frühzeitig im Rahmen einer öffentlichen Konsultation mit den Marktbeteiligten zu erörtern. Sie gibt hiermit allen Marktbeteiligten die Gelegenheit, die aus ihrer Sicht für oder gegen eine Sonderregelung im Gassektor sprechenden (mess-)technischen, prozessualen und sonstigen Umstände und Interessen darzulegen. Zum Zwecke der Verdeutlichung des Gegenstandes dieser Konsultation werden die beiden möglichen Ausgestaltungsvarianten nachfolgend kurz erläutert. Dabei weisen wir vorab darauf hin, dass beide Modelle lediglich den Bereich der anfänglichen, kundenindividuellen Ermittlung der Messwerte auf der Ebene der einzelnen Marktlokation betreffen. Die Aggregation sowie die Verteilung der Messwerte zum Zwecke der Gasbilanzierung erfolgen in beiden Ausgestaltungsvarianten identisch und unverändert zum Status quo nach den Vorgaben der Festlegung BK7-14-020 (GABi Gas 2.0).
a) Datenaufbereitung und Verteilung durch den Messstellenbetreiber („MSB-Modell“)
Nach der gesetzlich vorgesehenen Grundkonstellation stellen Datenerhebung, -aufbereitung und -verteilung eine Aufgabe des Messstellenbetreibers (im Weiteren „MSB“) dar. In dieser Variante liest der MSB zunächst die von ihm betriebenen Zähler aus, die die verbrauchte Energie als Kubikmeter entnommenen Gases ausweisen. Die Auslesung und Übertragung der Messwerte in das System des MSB erfolgt dabei je nachdem, ob der Gaszähler an ein Smart-Meter-Gateway oder an eine andere Einrichtung zur Fernkommunikation angeschlossen ist, mittels Ablesung vor Ort oder mittels elektronischer Datenübertragung. Im System des MSB wird sodann die (abrechnungs-)relevante Energiemenge in kWh ermittelt. Hierfür benötigt der MSB für die jeweilige Marktlokation die entsprechend den Anforderungen (Bilanzierung, Abrechnung) geltenden Brennwerte, die dazugehörige Zustandszahl sowie ggf. weitere Parameter. Handelt es sich bei dem MSB um den grundzuständigen MSB eines Netzgebietes nach § 2 Ziffer 6 MsbG, so ist dieser stets personenidentisch mit dem Netzbetreiber (im Weiteren „NB“), da eine Übertragung der Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb für den Gassektor nach §§ 41ff. MsbG nicht vorgesehen ist. In diesem Fall kann er unmittelbar auf alle relevanten Informationen zugreifen. Handelt es sich bei dem MSB jedoch um einen durch den Anschlussnutzer oder Anschlussnehmer einer Marktlokation ausgewählten „wettbewerblichen“ MSB, so verfügt er über diese Daten nicht in der eigenen Sphäre. In diesem Fall hat der NB diese Informationen in den dafür notwendigen Zeitintervallen dem MSB bereit zu stellen. Unter Anwendung dieser Parameter errechnet der MSB sodann die erforderlichen Messwerte. Des Weiteren übernimmt er auch eine ggf. erforderliche Plausibilisierung und Ersatzwertbildung. Abschließend verteilt der MSB die errechneten Messwerte an die nach § 49 MsbG berechtigten Empfänger (also insbesondere an den Lieferanten und den Netzbetreiber).
Nachfolgend werden die zentralen Prozessabläufe des MSB-Modells noch einmal grafisch zusammengefasst. Die Grafik benennt für jeden Prozessschritt gesondert die jeweils betroffenen Marktrollen, die infolgedessen teilweise mehrfach adressiert werden. Sie dient ausschließlich der Darstellung der im Rahmen des MSB-Modells vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Marktrollen. Dabei wird nicht im Detail danach differenziert, ob ein bestimmter Prozessschritt im Smart Meter Gateway oder im Backend-System des MSB stattfindet.
b) Datenaufbereitung und -verteilung durch den Netzbetreiber („NB-Modell“)
Im Falle einer möglichen Ausnahmeregelung für den Gassektor könnte die Aufgabe der Datenerhebung dem Netzbetreiber zugewiesen werden. Auch in dieser Variante liest der MSB zunächst durch Ablesung vor Ort oder mittels Fernkommunikation die von ihm betriebenen Zähler aus. Die so ermittelten Werte sendet er ohne weitere Bearbeitungsschritte an den NB weiter. Dieser ermittelt hieraus unter Anwendung des jeweils geforderten Brennwerts, der Zustandszahl sowie ggf. weiterer relevanter Parameter den (abrechnungs-)relevanten Energiewert in kWh. Hierzu zählen auch ggf. erforderliche Schritte der Plausibilisierung und Ersatzwertbildung. Abschließend übernimmt der NB sodann auch die Verteilung der Messwerte an die nach § 49 MsbG berechtigten Stellen.
Nachfolgend werden auch die zentralen Prozessabläufe des NB-Modells in der oben bereits beschriebenen Darstellungsform ins Bild gesetzt.
Um die durch eine mögliche Ausnahmeentscheidung berührten Interessen bereits vorab zu analysieren, hat die Beschlusskammer vorab auch den Dialog mit den Verbänden BDEW und bne gesucht. Beide Verbände haben mögliche Vor- und Nachteile der vorstehend erläuterten Modellvarianten aus ihrer Sicht beleuchtet und in eigenen Konzeptpapieren dargestellt. Diese finden Sie untenstehend ebenfalls zu Ihrer Information.
In diesem Zusammenhang weisen wir besonders darauf hin, dass beide Modellvarianten aktuell auf der Annahme basieren, dass die Umrechnung des durch den Gaszähler ermittelten Gasvolumens (in m3) in abrechnungsrelevante, plausibilisierte und ersatzwertkorrigierte Energiemengen (in kWh) im Backend des jeweils für die Messwertaufbereitung zuständigen Marktbeteiligten (also entweder MSB oder NB) erfolgt. Bei Gasmesseinrichtungen, die an ein Smart Meter Gateway angeschlossen sind, besteht darüber hinaus die Option, dass diese Rechenschritte unmittelbar auf dem Smart Meter Gateway selbst durchgeführt werden. Im Anschluss hieran könnten die so generierten Messwerte unmittelbar und ohne Mitwirkung des Gas-MSB oder Gas-NB an die berechtigten Marktteilnehmer übersandt werden. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Aufgabe des Smart Meter Gateway Betreibers regelmäßig durch den Strom-MSB der jeweiligen Marktlokation wahrgenommen wird. Dieser ist nicht zwingend identisch mit der Person des Gas-MSB/NB der entsprechenden Gas-Marktlokation. Die Erzeugung, Plausibilisierung und Ersatzwertbildung der Gasmesswerte fände in diesem Fall folglich in einer Sphäre statt, auf die der Gas-MSB/NB keinen unmittelbaren Einfluss hat. Um hier hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten des Gas-MSB/NB – gerade auch im Falle technischer Probleme bei der Datenverarbeitung oder -übertragung im oder aus dem Gateway – sicherzustellen, bedürfte es ggf. der Etablierung weiterer Geschäftsprozesse respektive einer vertraglichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Gas-MSB/NB und dem Smart Meter Gateway Administrator. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen ist daher aus Sicht der Beschlusskammer ebenfalls noch zu prüfen, ob die Erzeugung von Gasmesswerten innerhalb des Smart Meter Gateways möglich und sinnvoll erscheint, oder ob diese Aufgaben dem Backend des zuständigen Marktbeteiligten zugeordnet werden sollten.
Wir weisen ferner darauf hin, dass sich an die Vorabklärungen im Rahmen dieser Konsultation nach aktuellem Dafürhalten der Beschlusskammer 7 keine separate Festlegungsentscheidung anschließt. Sie dient vielmehr zunächst der Herbeiführung einer Verfahrensgrundlage für die weitere Detailausprägung der Prozesse zum Messwesen Gas. Es ist derzeit geplant, die rechtsförmlichen Festlegungen der Beschlusskammern 6 und 7 gemeinsam nach Erarbeitung aller erforderlichen Prozesse und sonstiger Regelungen zum Zielmodell Strom und Gas zum Abschluss des Verfahrens zu treffen.
Alle Marktbeteiligten erhalten hiermit bis zum 31.05.2017 Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Fragestellung, ob die Aufbereitung und Verteilung abrechnungsrelevanter Messwerte durch den Messstellenbetreiber oder den Netzbetreiber erfolgen sollte. Führen Sie dabei bitte auch die Ihrer Meinung ausschlaggebenden (mess-)technischen, prozessualen und sonstigen Kriterien für Ihre Positionierung an. Insbesondere auch im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit Rechenschritte zur Generierung, Plausibilisierung und Ersatzwertkorrektur von Gasmesswerten unmittelbar in dem Smart Meter Gateway erfolgen können und sollten oder ob diese Verfahrensschritte aus dem Backend der zuständigen Marktbeteiligten vorgenommen werden sollten, wird um die Einschätzung der Marktbeteiligten gebeten.
Übersenden Sie Ihre Stellungnahmen, die auch gemeinschaftlich abgegeben werden können, in einem für die Weiterverarbeitung durch Standardtextverarbeitungssoftware geeigneten Format (bitte keine Scan-Dateien) an die Adresse messwesen(at)bnetza.de. Verwenden Sie bitte hierfür ausschließlich das am Fuße dieses Textes beigefügte Formblatt.
Die Stellungnahmen sollen auf der Internetseite der Bundesnetzagentur veröffentlicht werden. In diesem Zusammenhang bitten wir darum, dass Konsultationsteilnehmer in ihren Stellungnahmen enthaltene etwaige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten kenntlich machen. Enthalten die vorgelegten Unterlagen eine der o.g. schutzbedürftigen Informationen, sollten die Konsultationsteilnehmer auch eine geschwärzte Fassung ihrer Stellungnahme vorlegen, die aus ihrer Sicht ohne Preisgabe von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder personenbezogenen Daten veröffentlicht werden kann. Für weitere Einzelheiten zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vgl. die Verfahrenshinweise der Beschlusskammern 6 und 7 unter www.bundesnetzagentur.de/geheimnisschutz-enwg.
Anlagen
Formblatt für Stellungnahmen Zielmodell Gas (docx / 27 KB)
2017-04-03 BDEW Synopse Messwerteaufbereitung Gas (pdf / 291 KB)
2017-04-03 BDEW Positionspapier Messwerteaufbereitung Gas (pdf / 300 KB)
2017-05-05_bne_Diskussionpapier_Umsetzung Zielmodell_Messwesen_Gas (pdf / 302 KB)
Verfahrenseinleitung Zielmodell Gas (pdf / 283 KB)
BK7-17-050
Stand: 08.05.2017