BK6-23-072

Festlegungsverfahren nach § 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG für eine marktgestützte Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Blindleistung“ - 2. Konsultation zur Festlegung einer Ausnahme von der marktgestützten Beschaffung für die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Spannungsebenen Nieder- und Mittelspannung gem. §§ 12h Abs. 4, 29 Abs. 1 EnWG

Die Beschlusskammer 6 hat am 31.03.2023 ein Festlegungsverfahren zu den Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Blindleistung“ durch die regelzonenverantwortlichen deutschen Übertragungsnetzbetreiber und die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Hochspannung gem. § 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG nach §§ 12h Abs. 5, 29 Abs. 1 EnWG eingeleitet. Die erste Marktkonsultation fand vom 31.03.2023 bis zum 12.05.2023 statt.

Das Verfahren betrifft die am 27.11.2020 in Kraft getretene Verpflichtung der Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung und Betreibern von Elektrizitätsverteilernetzen der Hochspannung gem. § 12h Abs. 1 EnWG, für ihr jeweiliges Netz in einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren die nicht frequenzgebundene Systemdienstleistung „Blindleistung“ (§ 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG) zu beschaffen.
Die erneute Konsultation betrifft ausschließlich eine Festlegung einer Ausnahme für Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Spannungsebenen Nieder- und Mittelspannung gem. § 12h Abs. 4 EnWG von der Verpflichtung, für ihr jeweiliges Netz in einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren die nicht frequenzgebundene Systemdienstleistung Dienstleistung zur Spannungsregelung („Blindleistung“) nach § 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG zu beschaffen.

Gem. § 12h Abs. 4 EnWG kann die Bundesnetzagentur Ausnahmen von der Verpflichtung der marktgestützten Beschaffung von nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistungen nach § 29 Abs. 1 EnWG festlegen, wenn diese wirtschaftlich nicht effizient ist; sie kann auch einzelne Spannungsebenen ausnehmen. Gegenstand der vorliegenden Konsultation ist die beabsichtigte Ausnahme der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Blindleistung“ von der marktgestützten Beschaffung durch Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen, sofern diese ein Nieder- oder Mittelspannungsnetz betreiben.

Die Bedarfe an Blindleistungspotentialen der betroffenen Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Spannungsebenen der Nieder- und Mittelspannung werden weit überwiegend über die technischen Mindestanforderungen der TAR und deren Umsetzung in den individuellen TAB der Verteilernetzbetreiber gedeckt. Diese über die TAR/TAB abgedeckten Bedarfe sind nach dem Verständnis der Beschlusskammer einer marktlichen Beschaffung nicht zugänglich. Das Marktvolumen, das einer marktgestützten Beschaffung zugänglich wäre, ist folglich gering. Es wird zudem davon ausgegangen, dass mittelfristig kein erheblicher Mehrbedarf an Blindleistungspotentialen in diesen Spannungsebenen besteht und damit eine Vergrößerung des geringen Marktvolumens auch nicht zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass aufgrund der lokalen Ausprägung der Blindleistungsbedarfe in einigen Fällen kein breites Anbieterfeld für eine marktgestützte Beschaffung der Blindleistung in diesen Spannungsebenen zu erwarten sein dürfte. Vielmehr könnte es zur Ausnutzung von Marktmachtpotentialen durch einzelne Anbieter kommen, wenn nur einzelne Anlagen netztechnisch geeignet sind, Blindleistungspotentiale zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus fehlt es insbesondere in der Niederspannung, aber teilweise auch in der Mittelspannung an den notwendigen Grundvoraussetzungen für eine marktliche Beschaffung. Nach Kenntnis der Beschlusskammer fehlt es in diesen Spannungsebenen i.d.R. an der Ausstattung der Anlagen mit den notwendigen Messeinrichtungen für Blindleistung und auch die flächendeckende Beobachtbarkeit der Spannungsqualität durch die Netzbetreiber ist oftmals nicht gegeben. Das im Vergleich zu anderen Spannungsebenen hohe R/X-Verhältnis spricht ebenfalls gegen eine marktliche Beschaffung von Blindleistung in der Nieder- und Mittelspannung. Denn das Einspeise- bzw. Verbrauchsverhalten der Anlagen induziert selbst Spannungsänderungen. Diese sind nicht durch die Netzbetreiber, sondern im Rahmen der sog. „Kehrplicht“ durch die Anlagenbetreiber zu kompensieren.

Abschließend geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass aufgrund des zu erwartenden geringen Marktvolumens die Transaktionskosten einer marktgestützten Beschaffung von Blindleistung die Effizienzgewinne einer solchen deutlich übersteigen würden. Dabei sind z. B. die nicht unerheblichen Kosten für eine Implementierung der notwendigen IT-Systeme, der Einführung und des Betriebs der Beschaffungsplattformen, des Vertragswesens, der Abrechnungsprozesse und des damit einhergehenden Personalaufwands bei allen Netzbetreibern der Nieder- und Mittelspannung zu beachten. Eine flächendecke Verpflichtung von über 800 Verteilernetzbetreibern der Nieder- und Mittelspannung zu einer marktgestützten Beschaffung von Blindleistung erscheint der Bundesnetzagentur vor diesem Hintergrund als derzeit nicht wirtschaftlich effizient. Die Beschlusskammer beabsichtigt daher, eine Ausnahme von der marktgestützten Beschaffung für die Verteilernetzbetreiber der Spannungsebenen der Nieder- und Mittelspannung festzulegen.
Die an die deutschen regelzonenverantwortlichen Betreiber der Übertragungsnetze und Betreiber von Elektrizitätsnetzen der Hochspannung adressierten geplanten Vorgaben für eine marktgestützte Beschaffung von Blindleistung bleiben von der beabsichtigten Ausnahmeentscheidung unberührt.

Die Abgabe von Stellungnahmen zur Festlegung einer Ausnahme von der marktgestützten Beschaffung von Blindleistung für die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen der Nieder- und Mittelspannung im Rahmen des Verfahrens BK6-23-072 ist möglich bis

13. März 2024 (Eingang hier mit Anlagen).

Bitte richten Sie Ihre Stellungnahme nach Möglichkeit ausschließlich per E-Mail an poststelle.bk6@bnetza.de. Anlagen zur E-Mail werden erbeten als Word-Format (.DOCX) oder als PDF mit druck- und kopierbarem Text.

Die Beschlusskammer beabsichtigt, die Stellungnahmen im Internet zu veröffentlichen.

Soweit in den übermittelten Dokumenten personenbezogene Daten (z. B. Namen, Unterschriften, Telefonnummern, E-Mail-Adressen mit Namen als Bestandteilen) enthalten sind, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der einsendenden Stelle obliegt, entweder eine Einwilligung des Betroffenen in die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten einzuholen oder zusätzlich eine für die Veröffentlichung bestimmte Fassung zu übersenden, in der die personenbezogenen Daten geschwärzt sind.

Entsprechendes gilt, soweit in den übermittelten Stellungnahmen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten sind.

Stand:  23.02.2024

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