BK6-23-010

Einleitung eines Festlegungsverfahrens gem. §§ 12h Abs. 5, 29 Abs. 1 EnWG zu den Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung (nfSDL) „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ („Momentanreserve“) gem. § 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG durch die deutschen regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sowie zur Aufhebung des gem. § 12h Abs. 4, Abs. 1 Nr. 2 EnWG erlassenen Beschlusses BK6-20-298 vom 18.12.2020 betreffend die Ausnahme der nfSDL „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ von der marktgestützten Beschaffung (Az. BK6-23-010)

A. Aufhebung der Ausnahmeentscheidung BK6-20-298 vom 18.12.2020

Mit Datum vom 18.12.2020 hat die Bundesnetzagentur hinsichtlich der nfSDL „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ eine Ausnahme von der marktgestützten Beschaffung gemäß § 12h Abs. 4 EnWG festgelegt (Az. BK6-20-298). Die Ausnahme basierte auf dem vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Bericht „Effizienzprüfung marktgestützter Beschaffung von nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistungen“ in der Fassung vom 18.08.2020. Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die ökonomische Effizienz einer marktlichen Beschaffung für die nfSDL Momentanreserve im Analysehorizont 2021 bis 2025 ausgeschlossen werden konnte. Hauptgrund hierfür war, dass zur Beherrschung eines normativen Ausfalls von 3 GW Erzeugungsleistung im europäischen Verbundsystem bis 2025 kein zusätzlicher Bedarf an Momentanreserve bestand, da der hierfür benötigte Bedarf durch die inhärente Erbringung von Momentanreserve aus Synchronmaschinen und rotierenden Phasenschiebern gedeckt werden konnte.

Der Netzentwicklungsplan (NEP) für das Jahr 2035 aus dem Jahr 2021 betrachtet erstmalig auch einen sog. System-Split, also eine störungsbedingte großräumige Netzauftrennung. Zur Beherrschung solcher System-Splits wird wesentlich mehr Momentanreserve benötigt, als dies zur Beherrschung eines Ausfalls von 3 GW Erzeugungsleistung der Fall ist. Um den zusätzlichen Bedarf zu decken, müssen neue Momentanreserve-Potentiale erschlossen werden. Hierzu gehören insbesondere Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen). Um die Bedarfsdeckung (auch) mit Hilfe einer marktgestützten Beschaffung zu ermöglichen, soll die Ausnahmeentscheidung aufgehoben werden.

B. Festlegung der Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nfSDL „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ („Momentanreserve“)

Das gegenständliche Festlegungsverfahren gem. §§ 12h Abs. 5, 29 Abs. 1 EnWG dient dazu, die Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nfSDL „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ nach § 12h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG durch die ÜNB festzulegen. Marktgestützt beschafft werden soll die sog. Momentanreserve, also die inhärente und unverzögerte Reaktion auf ein Wirkleistungsungleichgewicht, die eine - ggf. auch nur lokale – kritische Überschreitung von Grenzwerten der Frequenzhaltung vermeiden soll. Hierzu hat die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit den ÜNB ein Beschaffungskonzept entworfen.

Bei der Ausgestaltung des Beschaffungskonzepts kommt folgenden Besonderheiten wesentliche Bedeutung zu: Zum einen zeigen die Untersuchungen im Rahmen des NEP den enormen, bereits kurzfristig zu deckenden Bedarf an Momentanreserve. Zum anderen wird die Bedarfsdeckung bedingt durch den Umbau der Stromerzeugung zu einem erheblichen Teil durch EE-Anlagen erfolgen müssen. Derzeit sind nach Kenntnis der Beschlusskammer EE-Anlagen allerdings nicht in der Lage, Momentanreserve bereitzustellen. Dies wird erst nach einer Anpassung der in den EE-Anlagen verbauten Umrichter möglich sein, so dass es zunächst der Entwicklung sog. netzbildender Technologien (z.B. Umrichter) bedarf.

Das zur Konsultation gestellte Beschaffungskonzept sieht vor, dass ein Anbieter eine von ihm gewählte Momentanreserve-Menge zu einem vorher bekannten, vom ÜNB bestimmten, einheitlichen Festpreis anbietet. Der ÜNB ist verpflichtet, die ihm angebotene Menge abzunehmen und mit diesem Festpreis zu vergüten. Die Höhe der Vergütung ist abhängig von der Verfügbarkeit bei der Bereitstellung von Momentanreserve. Jeder ÜNB kann in seiner Regelzone Beschaffungsregionen bilden. Vorgesehen sind verschiedene Momentanreserve-Produkte, die sich sowohl in ihrer Aktivierungsrichtung (positiv oder negativ) als auch in den Verfügbarkeitsanforderungen und in der Höhe des Festpreises unterscheiden.

Um eine frühzeitige Erbringung von Momentanreserve anzureizen, ist zum einen eine Degression des Festpreises vorgesehen. Zeitnah eingereichte Angebote sollen höher vergütet werden als später eingereichte Angebote. Zum anderen soll bei Anlagen, die Momentanreserve erbringen, bevor dies nach den technischen Anschlussregeln (TAR) verpflichtend ist, die gesamte leistbare Momentanreserve kontrahiert und vergütet werden. Sobald die TAR Anlagen zur Erbringung von Momentanreserve verpflichten, soll hingegen nur diejenige Momentanreserve kontrahiert und vergütet werden können, die über den durch die TAR vorgesehenen Beitrag hinausgeht.

Die Beschaffung von Momentanreserve soll durch die ÜNB erfolgen, da die Momentanreserve frequenzabhängig ist und somit systemweit beschafft werden muss. Es können aber auch Anlagen in den Verteilernetzen kontrahiert werden, sofern sie mindestens in der Mittelspannungsebene angeschlossen sind.

C. Ausnahme der Spannungsebene Niederspannung und der Umspannebene Mittelspannung/Niederspannung

Der Netzanschluss einer im Rahmen der marktgestützten Beschaffung von Momentanreserve angebotenen und kontrahierten Einheit bzw. Anlage darf nicht in der Niederspannungsebene (NS) oder Umspannebene Mittelspannung/Niederspannung (MS/NS) liegen. In NS und MS/NS kann die mit der Erbringung von Momentanreserve einhergehende Implementierung von netzbildenden Eigenschaften eine ungewollte Inselnetzbildung begünstigen. Dies würde die Gefahr bergen, dass der Verteilnetzbetreiber (VNB) bei der Reparatur und Wartung seines Netzes behindert wird. Der VNB kann nicht voraussehen, wie die Momentanreserve erbringenden Einheiten reagieren würden und ob ggf. (unbeabsichtigt) Spannung anliegt. Daher ist es derzeit aus Sicht der Bundesnetzagentur noch geboten, die genannten Spannungsebenen von einer marktgestützten Beschaffung auszuschließen.

D. Ausnahme der regelungsbasiert und verzögert wirkenden Komponente der nfSDL „Trägkeit der lokalen Netzstabilität“

Die nfSDL „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ umfasst neben der inhärenten, unverzögerten Reaktion auf ein Wirkleistungsungleichgewicht zur Begrenzung des Frequenzgradienten (Momentanreserve) auch regelungstechnisch umgesetze, verzögerte Wirkleistungsänderungen zur Stützung der Frequenz. Für Letztere besteht nach gegenwärtiger Kenntnis der Beschlusskammer kein Bedarf, so dass eine Ausnahme von der marktgestützten Beschaffung geboten erscheint.

Die Abgabe von Stellungnahmen zum Verfahren BK6-23-010 ist möglich bis

3. November 2023 (Eingang hier mit Anlagen).


Bitte richten Sie Ihre Stellungnahme nach Möglichkeit ausschließlich per E-Mail an poststelle.bk6@bnetza.de.

Bitte nutzen Sie für die Abgabe Ihrer Stellungnahme die mitveröffentlichte Excel-Vorlage. Innerhalb des Excel-Formulars wählen Sie in der Spalte „Kapitel“ sowie in der Spalte „Absatz“ und in der Spalte „Unterpunkt“ bitte jeweils den Teil des Beschaffungskonzepts aus, auf welchen sich Ihre Stellungnahme bezieht.

Bei inhaltlich nicht einem bestimmten Teil zuzuordnenden Anmerkungen sowie für Stellungnahmen betreffend die geplante Aufhebung der Ausnahmeentscheidung BK6-20-298 oder die geplanten Ausnahmen der Spannungsebenen NS und MS/NS sowie der regelungsbasierten, verzögerten Reaktion auf ein Wirkleistungsungleichgewicht von der marktgestützten Beschaffung nutzen Sie bitte die Auswahl „Allgemeines“ in der Spalte „Kapitel“.

Die Beschlusskammer beabsichtigt, die Stellungnahmen im Internet zu veröffentlichen.

Soweit in den übermittelten Dokumenten personenbezogene Daten (z. B. Namen, Unterschriften, Telefonnummern, E-Mail-Adressen mit Namen als Bestandteilen) enthalten sind, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der einsendenden Stelle obliegt, entweder eine Einwilligung des Betroffenen in die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten einzuholen oder zusätzlich eine für die Veröffentlichung bestimmte Fassung zu übersenden, in der die personenbezogenen Daten geschwärzt sind.

Entsprechendes gilt, soweit in den übermittelten Stellungnahmen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten sind.

Anlagen:

Konsultationsdokument: Beschaffungskonzept (pdf / 145 KB)

Excel-Formular zur Abgabe einer Stellungnahme (xlsx / 59 KB)

Stand:  29.09.2023

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