"Was kos­tet der Strom – und wa­rum?"

So entsteht der Strompreis

Eine Hand hält einen  Stromstecker nahe einer Steckdose

Die Stromversorgung in Deutschland ist nicht gefährdet. So heißt es. So lesen Sie es auch regelmäßig auf den Seiten der Bundesnetzagentur. Schön, denken Sie jetzt vielleicht. Aber sicherer Strom heißt ja nicht günstiger Strom.
Die Frage, was Energie kostet, hat die Bevölkerung schon immer beschäftigt. Aber seit der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 hat sich vor allem die folgende Frage massiv in den Vordergrund gedrängt: Wird das Gas für Industrie und Haushalte reichen?
Es hat gereicht. Deutschland hat die Krise abgewendet. Wird ein Gut jedoch knapp, steigt sein Preis. So war Gas vor allem im ersten Kriegsjahr teuer.
Die Augen der Öffentlichkeit sind aber immer auch auf den Strompreis gerichtet. Praktisch alle Alltagsgeräte laufen mit Strom, von der Waschmaschine übers Smartphone bis zu E-Autos und Wärmepumpen. Immer mehr der Dinge, die wir brauchen, sind elektrisch. Das ist gut, weil sauberer als zum Beispiel dieselbetriebene Motoren. Strom ist ein zentrales Element der Energiewende, idealerweise aus erneuerbaren Energien. Wer nicht tief im Thema ist und versucht zu verstehen, wie der Strompreis zustande kommt, kommt rasch an seine Grenzen. Es ist die Rede von der Strombörse, dem Großhandel oder einem europäischen System, in das unser Land irgendwie verflochten ist. An manchen Tagen kostet der Strom hunderte Euros pro Megawattstunde, an anderen praktisch gar nichts.
Aber anscheinend hat das keine Auswirkungen auf Ihre Stromrechnung. Wissen Sie, warum? Wenn nicht: Nach der Lektüre dieses Textes können Sie es nachvollziehen.

Börsen und Märkte

Ausnahmsweise werden wir hier einmal nicht das Bild des Wochenmarktes bemühen, um das Prinzip von Angebot und Nachfrage zu erklären. Es wäre ohnehin schief. Strom ist im Gegensatz zu anderen Waren leitungsgebunden und nur bedingt speicherfähig. Zwar planen und konzipieren zahlreiche Unternehmen aktuell eine ganze Reihe von Großspeichern. Bis allerdings ausreichend Speicher am Netz sind, wird noch einige Zeit vergehen. Das hat zur Folge, dass sich der Strompreis innerhalb eines Tages immer wieder ändert. Ist das Angebot groß und die Nachfrage klein, ist der Preis niedrig. Umgekehrt steigen die Preise, wenn eine große Nachfrage auf ein kleines Angebot trifft. Im Strommarkt kann sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und damit der Preis relativ schnell ändern, wenn beispielsweise eine Windfront die Windturbinen antreibt oder ein großes Kraftwerk ausfällt. Das bedeutet für die Stromverkäufer und -käufer, dass sie die Preise bis zur Lieferung im Blick behalten müssen.
Im Stromhandel gibt es deshalb verschiedene Handelsprodukte mit unterschiedlicher Vorlaufzeit vom Kauf bis zur tatsächlichen Lieferung. Auf dem Terminmarkt werden Stromlieferungen mit einem Vorlauf von bis zu mehreren Jahren gehandelt. Mit diesen langfristigen Verträgen versichern sich Käufer gegen das Risiko steigender Preise. Für die Planungssicherheit zahlen die Käufer einen Preisaufschlag. Den verbuchen die Verkäufer wiederum als zusätzlichen Erlös. Langfristige Verträge sichern den Erzeugern ihre Einnahmen, die sie beispielsweise direkt in neue Windkraft- oder Solaranlagen investieren.

Immer im Blick: der Großhandelspreis

Je näher die Lieferung rückt, desto präziser lassen sich die tatsächlichen Verbrauchs- und Erzeugungsmengen voraussagen – und damit auch der Preis Deshalb gibt es neben dem Terminmarkt noch den Spotmarkt für den kurzfristigen Handel. Der besteht wiederum aus zwei Märkten mit unterschiedlicher Vorlaufzeit: Der Day-Ahead- und der Intraday-Markt. Im Day-Ahead-Markt wird Strom direkt für den nächsten Tag gehandelt. Die Kauf- und Verkaufsgebote müssen mit Angabe der Strommenge und der Lieferzeit bis 12 Uhr mittags gemeldet werden. Anschließend ermittelt die Börse den Großhandelspreis für jede Stunde des nächsten Tages. Dieser Großhandelspreis ist ein wichtiger Referenzwert für den Strommarkt – das ist ähnlich zu einem Tagesschlusskurs für eine Aktie am Aktienmarkt. Daher sieht man die Day-Ahead-Großhandelspreise der wichtigsten Strombörse EPEX gleich auf der Startseite von SMARD. SMARD ist die Plattform, auf der die Bundesnetzagentur die Energiemarktdaten darstellt.

Im Intraday-Handel können Strommengen dann bis 30 Minuten vor der Lieferung gehandelt werden. Mit diesen Produkten haben z.B. die Erzeuger erneuerbarer Energien die Möglichkeit auf kurzfristige Änderungen wie eine unerwartete Windfront zu reagieren.

Um Angebot und Nachfrage schnell auszugleichen, müssen genügend flexible Erzeuger und Verbraucher am Markt sein. Preissignale zeigen den Akteuren, wann es sinnvoll ist, zu produzieren oder zu verbrauchen. Das fördert Investitionen in neue Kapazitäten.

Für eine sichere Versorgung sorgt der Strommarkt durch Preissignale zusätzlich jederzeit dafür, dass die vorhandenen Kapazitäten im erforderlichen Umfang kontrahiert und tatsächlich eingesetzt werden.

Strom in Europa: Ein Geben und Nehmen

Einen Stromhandel gibt es aber nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern zugleich auch auf europäischer Ebene. Der so genannte europäische Strombinnenmarkt senkt die Kosten im Gesamtsystem, da Strom noch flexibler erzeugt werden kann, das heißt dort, wo dies am günstigsten möglich ist. Weht beispielsweise in Dänemark starker Wind, wird der Strom aus dänischen Windkraftanlagen günstiger. Für Deutschland kann es dann ökonomisch sinnvoller sein, Strom zu importieren, als ihn zu höheren Preisen in eigenen Gas- oder Kohlekraftwerken zu erzeugen. Deutschland importiert also in erster Linie dann Strom, wenn dieser in anderen Ländern zu niedrigeren Preisen verfügbar ist und die Kapazitäten des Stromnetzes dies hergeben.

Dieser Handel funktioniert natürlich in beide Richtungen: Deutschland exportiert beispielsweise häufig dann Strom, wenn viel Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Scheint also in Deutschland die Sonne bei gleichzeitig starkem Wind und liegen die Preise dadurch unterhalb der Preise anderer Länder, liefert Deutschland Strom ins Ausland.

Strom ist immer eine wilde Mischung

Es ist übrigens nicht ohne weiters möglich, exakt zu bestimmen, welcher Anteil der deutschen Im- und Exporte auf dem Strommarkt auf welchen Energieträger entfallen. Ob der Strom in einem Kabel aus einem Windrad oder einem Kohlekraftwerk stammt, lässt sich nicht unterscheiden. Das nennt sich Strommix.Beim Stromhandel mit unseren Nachbarn kann es also nicht heißen: Du kriegst meinen Atomstrom, ich nehme deine Solarenergie.
Wenn er einmal ins Netz eingespeist ist, lässt sich Strom nicht weiter oder rückverfolgen. Man rechnet also immer mit einem Strommix, der exportiert bzw. importiert wird. Der entspricht dem Erzeugungsmix des jeweils exportierenden Landes. Für Exporte dient dabei der deutsche Erzeugungsmix als Grundlage, für Importe nach Deutschland der Erzeugungsmix des Landes, aus dem Strom kommt. Auf SMARD wird sich dieser Frage mit Hilfe einer Modellierung angenähert. Der „energieträgerscharfe Außenhandel“ zeigt den Energiemix der Im- und Exporte energieträgerscharf.

Als Beispiel: Am 24. März 2023 hat Deutschland zwischen 12.00 und 13.00 Uhr 63.395 MWh Strom erzeugt. Davon entfielen 30.471 MWh auf den Energieträger Wind Onshore, also von Windkraftanlagen an Land. Das entspricht 48,07 Prozent der gesamten Erzeugung. Im selben Zeitraum hat Deutschland 1.057 MWh Strom nach Frankreich exportiert. Daraus lässt sich nach dem beschriebenen Vorgehen herleiten, dass Deutschland in dieser Stunde rund 510 MWh Strom aus Wind-Onshore-Anlagen nach Frankreich exportiert hat.

Und was heißt das jetzt alles?

Der Strommarkt ist ein kompliziertes Geschäft. Als wichtigste Punkte können Sie festhalten:
Der Strompreis kann sich innerhalb eines Tages ändern. Das hat aber keine Auswirkungen auf Ihre Stromrechnung, weil die meisten Verbraucher einen festen Preis mit ihren Lieferanten vereinbart. Verschiedene Mechanismen sorgen dafür, dass es einen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch gibt. Die Versorgung bleibt sicher, der Preis stabil. Der Handel mit dem europäischen Ausland sorgt dafür, dass der Preis für alle beteiligten Länder günstiger wird. Denn der Strom wird immer dort produziert, wo er gerade am wenigsten kostet.

Sie bekommen Ihren Strom möglicherweise vom so genannten Grundversorger. Das sind oft die örtlichen Stadtwerke. Sie können natürlich auch einen Vertrag mit einem Unternehmen Ihrer Wahl abschließen, weil es zum Beispiel Strom aus hundert Prozent Erneuerbaren anbietet. So oder so: Der Anbieter kauft den Strom entweder an der Strombörse oder direkt bei einem Stromerzeuger ein.
Mit dem Erzeuger verhandelt er den Preis und die Menge. Der Handelspreis hängt von Angebot und Nachfrage ab. Kauf und Verkauf an der Börse findet entweder langfristig über den Terminmarkt statt oder kurzfristig an den Spotmärkten. Neben diesen Kosten für den Kauf des Stroms (die so genannten Beschaffungskosten) stecken noch verschiedene andere Kosten in Ihrer Stromrechnung. Dazu gehören etwa Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte. Die reinen Beschaffungskosten machen insgesamt nur rund ein Drittel des Gesamtpreises aus.
Wenn Sie das nächste Mal Ihre Stromrechnung bekommen, dürfen Sie wissend nicken. Denn jetzt wissen Sie, was hinter den Zahlen steckt.

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