Mensch mit Maschine
Was kann Künstliche Intelligenz? Chancen, Gefahren, Möglichkeiten – und was die Bundesnetzagentur damit zu tun hat.
Künstliche Intelligenz, kurz KI, kann natürlich noch viel mehr als Berufsschreiber*innen die Arbeit zu erleichtern. Aber fangen wir doch von vorn an. Die Idee, sich von Maschinen bei der Arbeit unterstützen zu lassen, ist schon alt. Überspringen wir die Erfindung des Rads und der Dampfmaschine und steigen im 19. Jahrhundert ein. Es war eine Frau, die den ersten Algorithmus schrieb und somit den Grundstein heutiger künstlicher Intelligenz legte: Ada Lovelace (1815-1852), Mathematikerin, erkannte das große Potential hinter einer Maschine, die gebaut worden war, um Zahlen zu verarbeiten. Lovelace schrieb ein Programm für die "Analytical Engine" und gilt deshalb Manchen als erste Programmiererin der Welt.
Kinderschuhe
In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts tauchte zum ersten Mal eine Definition des Begriffs auf. Der US-amerikanische Informatiker John McCarthy beschäftigte sich 1956 erstmals wissenschaftlich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und maschinellen Lernens. Der Versuch, menschliche Intelligenz von Computern imitieren zu lassen – also die Fähigkeit, auf der Grundlage von Informationen und Erfahrungen, selbständig Entscheidungen zu treffen – mündete zum Beispiel 1972 in einem so genannten Expertensystem namens MYCIN. Es diente der Unterstützung von Diagnose- und Therapieentscheidungen bei Blutinfektionskrankheiten und Meningitis. Eine Auswertung attestierte ihm, dass seine Entscheidungen so gut sind wie die eines Experten in dem betreffenden Bereich. Allerdings kannte es die Grenzen seiner Kompetenz noch nicht. Fütterte man es mit den Daten einer Cholera-Erkrankung, lieferte es einen Therapievorschlag für eine Blutinfektionskrankheit. Expertensysteme und andere auf Wissensdatenbanken basierende Systeme hatten nur mäßigen Erfolg. Es stellte sich als zu schwer heraus, das benötigte Wissen von Hand in formale Regeln zu überführen. Die Lösung hieß maschinelles Lernen. Und damit war die nächste Stufe der Entwicklung erreicht. Hierbei lernt das Computersystem selbstständig anhand der Daten, die Menschen zuvor erhoben und in Datenbanken eingegeben haben. So ist es in der Lage, verborgene Zusammenhänge zu erkennen, die ein Mensch insbesondere aufgrund der großen Menge nicht berücksichtigt hätte. Das nächste berühmte Beispiel ist der von IBM entwickelte Schachcomputer Deep Blue. 1996 gelang es ihm, den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparov zu besiegen. Mensch unterlag Maschine. Selbstverständlich lieferte diese Schlagzeile fantasiebegabten Regisseuren reichhaltige Inspiration für dystopische Filmstoffe. In Wirklichkeit aber stehen wir auch jetzt, 25 Jahre später, immer noch nicht unter Kontrolle einer Maschineninstanz, die die Weltmacht anstrebt.
Die lernende Maschine
Ab dem Jahr 2000 ging es dann steil nach oben. Die verfügbaren Datenmengen wuchsen rasch an, Big Data ist seit den 2010er Jahren in aller Munde. Die Rechenleistung der Computer nimmt gewaltig zu und seit 2011 wurde davon ausgegangen, dass sich das weltweite Datenvolumen alle zwei Jahre verdoppelt. Die Maschinen lernten. Doch schnell stellte sich ein Problem heraus: Es ließ sich nicht nachvollziehen, welche Daten die Grundlage für eine Entscheidung bildeten.
Die alten Expertensysteme fußen auf einem strikten Regelwerk; sie bedienen sich der Daten und Regeln, die man ihnen eingegeben hat. Sie sind ein Fall von schwacher KI (im Englischen "narrow AI"). Starke künstliche Intelligenz (im englischen "general AI") hingegen wäre ein System, das mindestens gleiche, wenn nicht sogar größere Fähigkeiten als der Mensch aufweist. Ein System, das von selbst und nach eigenen Strategien lernt. Das Daten aus ganz unterschiedlichen Bereichen miteinander verbindet, sowohl Allgemein- als auch Fachwissen ansammelt und abstrahieren kann. Ein System, das gänzlich Neues schaffen kann. Aber was kann KI heute? Wo stehen wir?
Echter Mensch oder nicht?
Künstliche Intelligenz einzusetzen verspricht nie dagewesene Möglichkeiten in allen Bereichen unseres Lebens. Die Algorithmen, die der Software zu Grunde liegen, werden immer besser. Algorithmen sind übrigens Handlungsvorschriften zur Lösung vorab definierter Probleme. Alle denkbaren Prozesse ließen sich potentiell optimieren, von der Medizin über das Handwerk und die Wirtschaft bis zu politischen Entscheidungen. Im Idealfall. Doch es gibt auch die dunkle Seite. Der Einsatz von KI ist mit Risiken und Gefahren verbunden. Mit so genanntem "deep fakes" können zum Beispiel Bilder und Texte so glaubwürdig neu zusammengesetzt werden, dass das Ergebnis absolut echt aussieht. Ein Video, in dem ein Staatschef ein anderes Land diffamiert oder ein radikales Gesetz verkündet, könnte eine tiefgreifende Krise auslösen, obwohl er nie dergleichen gesagt hat. Realer ist die Möglichkeit der Diskriminierung durch Gesichtserkennung, die auch auf KI basiert. Man hat festgestellt, dass viele solcher Programme auf Menschen mit dunkler Hautfarbe oft nicht reagieren. In sozialen Netzwerken treiben Bots ihr Unwesen. Massenhaft Kommentare voller Hass und Hetze, die aber nur scheinbar von echten Menschen stammen. In Wirklichkeit… Sie ahnen es.
Was man heute sagen kann: Eine KI, die multivariabel einsetzbar ist, gibt es nicht. Realistischer ist eine hochspezialisierte Insellösung, wie Fachleute sagen. Also, ein Haushaltsroboter kann kein Auto steuern. Aber er kann sehr gut darin werden, Fußböden aller Art zu reinigen.
KI in die Gesellschaft einbetten
Vor allem in den USA und in China entwickeln und produzieren große Firmen Technologien, man denke nur an Google und Amazon. In China gibt es bereits Unternehmen, die ein weiblicher Roboter führt. In Europa beschäftigt man sich dagegen eher mit der Forschung in diesem Bereich – wissenschaftlich und juristisch. Dabei geht es nicht nur um die Chancen, sondern auch um die Risiken. So hat die Bundesregierung im Jahr 2018 eine KI-Strategie entwickelt, die Deutschland und Europa nicht nur zu einem führenden "KI-Standort“ machen soll. Gleichzeitig stehen hier der Mensch und damit verbunden Werte wie Verantwortungsbewusstsein und Gemeinwohl im Fokus. Es geht darum, KI „im Rahmen eines breiten gesellschaftlichen Dialogs ethisch, rechtlich, kulturell und institutionell in die Gesellschaft einzubetten“. Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr auf Basis ihres im Februar 2020 veröffentlichten Weißbuchs zu Künstlicher Intelligenz eine umfassende europaweite Konsultation zum Themenbereich KI durchgeführt. Derzeit erarbeitet sie auf dieser Basis einen Legislativvorschlag für einen europaweiten KI-Rechtsrahmen. Darin soll ein Mindeststandard für die Entwicklung von „vertrauenswürdiger KI“ definiert sein. Wer KI verkauft oder einsetzt, muss beantworten, wie sie entwickelt wurde, was sie kann – und was nicht. Sie darf weder diskriminieren noch Desinformation verbreiten. Außerdem muss sie regelmäßig überprüfbar sein. Wer die Regeln nicht beachtet, dem droht eine Strafe. Eigentlich geht es um die Regulierung der Anwendung von KI, nicht um die KI selber.
Und was hat die Bundesnetzagentur mit alledem zu tun?
Auch in den von der Bundesnetzagentur regulierten Sektoren ergeben sich durch den Einsatz von KI-Systemen und -Anwendungen zahlreiche neue Möglichkeiten. In vielen Bereichen wird KI bereits eingesetzt. Netzbetreiber nutzen KI, um ihre Infrastruktur nicht nur zu warten, sondern auch vor Cyberangriffen zu schützen. Sie analysieren dazu nach eigenen Angaben täglich etwa eine Milliarde sicherheitsrelevante Daten, um Muster und Anomalien zu erkennen, die auf Cyberangriffe hinweisen könnten. Insbesondere im Rahmen des Ausbaus von Glasfaser- und Mobilfunknetzen kommt KI zum Einsatz. Umgebungs- und Bebauungsdaten potenzieller Ausbaugebiete werden erfasst und verarbeitet, um etwa spätere Leitungsverläufe oder Mobilfunkversorgung KI-gestützt zu optimieren. Im Post- und Logistiksektor kann KI unter anderem dazu beitragen, Nachfrageveränderungen exakter zu prognostizieren, die Lagerhaltung und -auslastung zu verbessern, Zustellrouten zu optimieren und durch moderne Bilderkennungssoftware den Zustand und die Qualität von Sendungen in Echtzeit zu überprüfen. In der Energiewirtschaft wird KI unter anderem bereits zur Verbesserung von Lastprognosen, zur vorausschauenden Wartung von Erzeugungsanlagen und Netzen sowie zur frühzeitigen Identifizierung von IT-Angriffen auf kritische Infrastrukturen wie Kraftwerke und Netze eingesetzt. Im Bahnsektor wird ein KI-basierter Sprachroboter erprobt, der Kunden zukünftig in Bahnhöfen häufig gestellte Fragen in unterschiedlichen Sprachen auf Basis von Echtzeitinformationen beantworten soll.
Fokus auf kritischer Infrastruktur
Kommt es zu dem geplanten "AI-Act" (KI-Verordnung), wirkt er automatisch in allen EU-Ländern und muss nicht erst in nationaler Gesetzgebung verankert werden. Den Verordnungsentwurf der Kommission hat die Bundesnetzagentur im Rahmen eines Workshops im November 2021 mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung erstmalig diskutiert. Die Behörde unterstützt den legislativen Prozess. Dabei ist ihr v.a. ein Punkt wichtig: Der Einsatz von KI-Systemen innerhalb bestimmter kritischer Infrastruktur wie etwa in der Netzinfrastruktur im Energie- und Telekommunikationssektor muss in der Verordnung Berücksichtigung finden. Als so genannte "Hochrisiko-KI" könnte das KI-System zum Ausfall oder zu Störungen der kritischen Infrastruktur führen. Kritische Infrastruktur meint Organisationen und Einrichtungen mit großer Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen. Deren Ausfall oder Beeinträchtigung, etwa weil die eingesetzte KI nicht wie gewünscht funktioniert, könnte nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe oder erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit zur Folge haben.
Und was ist mit der Urangst der Menschen, dass Maschinen uns eines Tages überflüssig machen könnten? Und wenn nicht uns als Spezies, dann wenigstens unsere Arbeitskraft? Die Fachleute aus Referat 122 (zuständig für Netzneutralität, Plattformmonitoring und Künstliche Intelligenz) nicken bei dieser Frage wissend. KI, sagen sie, wird uns nicht ersetzen, sondern uns unterstützen. KI wird unsere Kapazitäten erweitern und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Ihr Einsatz kann Planung und Bau von Infrastrukturen deutlich effizienter gestalten, ebenso den Betrieb von Netzen und Anlagen. Das spart Energie und hilft, CO2 einzusparen.
Die Prognose ist eindeutig: KI funktioniert nur mit einem Menschen daneben. Selbst wenn KI uns manche Arbeit abnehmen oder erleichtern kann, schafft sie doch an anderer Stelle Arbeitsplätze. Und wenn Sie das nächste Mal einen Klempner anrufen, damit er einen Rohrbruch repariert, fragen Sie sich: Wie soll KI jemals diesen Handwerker ablösen? Schließlich schreibt der ja keine Texte.
Mehr Informationen zu Künstlicher Intelligenz in den Netzsektoren: www.bundesnetzagentur.de/KI