"Die Bundesnetzagentur ist ei­ne span­nen­de Be­hör­de"

Interview mit Vizepräsident Dr. Wilhelm Eschweiler

Dr. Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, im Interview.

Der 2. Mai 2014 war Ihr erster Arbeitstag in der Bundesnetzagentur. Welche Erwartungen hatten Sie damals?
Ich hatte großen Respekt vor der Arbeit einer sektorspezifischen Wettbewerbsbehörde, die sich immer mehr zu einer Behörde mit Infrastrukturverantwortung entwickelt. Die hohe Komplexität der Themen hat mich beeindruckt. Ich musste mich damals sofort in eine anstehende Frequenzvergabe einarbeiten. Das war eine Herausforderung. Insgesamt war es eine große thematische Vielfalt: Vom Vectoring, Frequenzen, Personal, Themen der IT-Ausstattung über Digitalisierungsthemen wie Netzneutralität und Plattformregulierung bis hin zu dem völlig neuen Bereich Eisenbahnregulierung. Den kannte ich vorher gar nicht. Ich habe aber auch Vorfreude gespürt, etwas mitgestalten zu dürfen.

Zehn Jahre haben Sie die Verantwortung für die Bundesnetzagentur mitgetragen. Was waren die größten Aufgaben?
Der Telekommunikationsbereich ist der komplexeste. Spannend war hier, die europäischen Vorgaben auf nationaler Ebene umzusetzen. Es galt dann, den Bereich Digitalisierung noch stärker zu betonen. Wir haben vor einiger Zeit eine neue Unterabteilung in Abteilung 1 aufgebaut. Die Themen dort sind zukunftsweisend für die Behörde: Plattformregulierung, Netzneutralität, die europäischen Rechtsakte DSA und DMA (Digital Services Act und Digital Markets Act, Anmerkung der Redaktion). Von Seiten der EU kommen mehr Themen hinzu. Ganz aktuell übernehmen wir die Rolle des Digital Services Coordinator (DSC). Es steht auch im Raum, dass wir bei Künstlicher Intelligenz Aufgaben hinzubekommen. Die Rolle der Bundesnetzagentur wird sich also immer mehr verändern. Das gibt es so kaum in anderen Behörden.

Wann sind Sie das erste Mal mit den Themen der Bundesnetzagentur in Berührung gekommen?
Das war lange vor meiner Zeit bei der Netzagentur. Ich bin ein Kind des alten Postministeriums. Anschließend bin ich ins Bundesministerium für Wirtschaft gewechselt und habe dort in einem Referat gearbeitet, das die Aufsicht über die Bundesnetzagentur hatte. Später war ich Referatsleiter für europäische TK-Politik, habe also den TK-Ministerrat vorbereitet und gemeinsam mit meinem Team die deutsche Position zu europäischen Legislativvorschlägen im TK-Bereich erarbeitet und auch durchgesetzt. Insofern war ich immer mit Fragestellungen der Bundesnetzagentur verbunden. Neu war für mich der Eisenbahnbereich. Aber da das ein regulierter Bereich ist, gibt es auch dort Schnittstellen. Und ich hatte in meinem Präsidiumsbüro immer engagierte Referentinnen, die aus dem Eisenbahnbereich kamen und mich tatkräftig unterstützt haben.

Innerhalb Ihrer Amtszeit hat sich der gesellschaftlich-politische Rahmen, in dem die Bundesnetzagentur handelt, verändert. Woran haben Sie das gemerkt?
Die Arbeit der Bundesnetzagentur ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und durch die Gaskrise sehr viel bekannter geworden – in der Öffentlichkeit und in der Politik. Hinzu kommt die Erfahrung aus der Corona-Zeit, ein Stresstest für die Behörde. Wir mussten uns der Frage stellen, wie wir mit der Resilienz der Netze umgehen. Aber auch: Wie passen wir unsere Arbeitsbedingungen an die Pandemie an? Da haben wir einen deutlichen Schub geschafft mit Blick auf Digitalisierung innerhalb des Hauses. Wir haben eine neue, belastbare Arbeitskultur geschaffen. Es ist uns gelungen, ausreichend Equipment für alle Beschäftigten bereitzustellen. Wir haben einen Weg gefunden, diese Herausforderungen zu bewältigen – vor allem durch die Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Das ist das völlig Neue, wenn ich an den Startpunkt vor zehn Jahren zurückdenke. Auch die neue Leitung unter Herrn Müller, der vor zwei Jahren Präsident wurde, hat einiges verändert. Die Behörde ist sehr öffentlichkeitswirksam aufgestellt. Das ist gut so.

Die Themen der Bundesnetzagentur sind vielfältig. Welchen galt in den vergangenen zehn Jahren Ihre besondere Leidenschaft?
Ich komme aus dem europäisch-internationalen Bereich der Telekommunikation. Deshalb hat mir der Vorsitz bei BEREC (Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, Anmerkung der Redaktion) besondere Freude gemacht. Das war ein Highlight. Was mich auch immer interessiert hat, war die Personalentwicklung. Talente in der Behörde zu entdecken und junge Referentinnen und Referenten aufzubauen, sie fit zu machen für Führungsaufgaben. Das fand ich immer unglaublich spannend. Ich hatte immer große Freude daran, junge Leute zu fördern und den einen oder die andere vielleicht auch aufs richtige Gleis zu setzen. Da haben wir durch unsere Größe und wegen der spannenden Aufgaben genügend Wege.
Für die Zukunft müssen wir uns anstrengen, neue Kolleginnen und Kollegen zu finden: Vor allem für den Bereich der Digitalisierung: Fachleute aus der Informatik, der Datenanalyse, Menschen mit technischem Hintergrund. Wir haben als Arbeitgeberin im öffentlichen Dienst bei aller starken Konkurrenz auch in Bonn viel zu bieten. Wir werben intensiv mit den spannenden Aufgaben, die die Neuzugänge hier erwarten.

Karneval, Sommerfest, Weihnachtsfeier. Vizepräsident der Bundesnetzagentur zu sein bedeutet nicht nur harte Arbeit. Was wird Ihnen fehlen?
Ich habe diese Feste immer als identitätsstiftend erlebt. Alle diese Veranstaltungen werden mir fehlen. Die Bundesnetzagentur zeichnet sich dadurch aus, dass wir hier gerne zusammen feiern. Da hat sie einen besonderen Charme entwickelt, der mich immer für die Behörde eingenommen hat. Den ein oder anderen gemeinsamen Auftritt mit unserer Band – den Regulators – werde ich vermissen.

Wenn Sie auf Ihr Berufsleben zurückblicken: Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Meine Art, mit großer Offenheit auf Leute zuzugehen, ist Stärke und Schwäche zugleich. Sie bringt es mit sich, Enttäuschungen in Kauf zu nehmen. Ich bin hier so gewesen wie ich bin, ohne Fassade. Und manchmal denke ich, dass die Fassadenmenschen es besser schaffen, einen Schutzschild um sich herum zu bauen.

Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin Frau Dr. Brönstrup?
Ich wünsche ihr eine glückliche Hand. Das ist eine spannende Aufgabe in einem wirklich guten Umfeld. Aus ganzem Herzen kann ich sagen: die Bundesnetzagentur ist eine tolle Behörde. Sie ist Avantgarde mit Blick auf wirtschaftspolitische Themen, die Manche nur aus der Zeitung kennen. Hier darf Frau Dr. Brönstrup daran mitarbeiten. Das gibt es so kaum woanders. Hier arbeiten interessante Menschen in einem innovativen Umfeld. Das besondere ist auch die interdisziplinäre Arbeit. Die Vizepräsidentschaft der Bundesnetzagentur ist einfach eine große Ehre.

Vielen Dank für das Gespräch.

Über Dr. Wilhelm Eschweiler
Dr. Wilhelm Eschweiler, Jahrgang 1962, ist seit Mai 2014 Vizepräsident der Bundesnetzagentur. Von 2007 bis zu seiner Berufung als Vizepräsident verantwortete er die Europäische IKT-Politik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Von 2002 bis 2006 leitete Dr. Eschweiler das für die Internationale Telekommunikations- und Postpolitik zuständige Referat im Bundeswirtschaftsministerium. Von 1998 bis 2002 befasste er sich dort mit Grundsatzangelegenheiten der Regulierung. Nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen arbeitete Dr. Eschweiler von 1992 bis 1997 im Bundesministerium für Post und Telekommunikation, davon in 1994 bei der Generaldirektion Informationsgesellschaft der Europäischen Kommission in Brüssel und ab 1995 im Ministerbüro Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch. Dr. Eschweiler studierte Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit Auslandssemstern an der Université de Lausanne.
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