„Die Bundesnetzagentur kann die Ge­sell­schaft mit­ge­stal­ten“

Die neue Vizepräsidentin Dr. Daniela Brönstrup im Porträt

Dr. Daniela Brönstrup, Vizepräsident der Bundesnetzagentur seit Juni 2024.

Fototermin mit Daniela Brönstrup. In wenigen Tagen wird sie ihr neues Amt als Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur in Bonn antreten. Vor der Berliner Dienststelle steigt sie aus dem Wagen und schlendert zu der Gruppe der zukünftigen Kolleginnen und Kollegen, die sie erwarten. Dunkelblauer Anzug, weiße Bluse, ein verbindliches Lächeln. Nahtlos fügt sie sich in das Geschehen ein. Vor der Kamera wartet sie geduldig die übliche Prozedur ab: Ein mehrköpfiges Team richtet Mikrofon und Licht, jemand zupft ihr die Haarsträhnen zurecht.

Noch ist sie Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Seit 2015 ist sie dort verantwortlich für digitalpolitische Themen und Telekommunikation. Sie kümmert sich u. a. um den Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz und die Datenpolitik, um den Postrechtsrahmen und Standardisierung. Das alles klingt vertraut nach den Themen, die auch die Bundesnetzagentur bearbeitet. Die Frage drängt sich jedoch auf, warum sie einen Posten verlässt, der sie offensichtlich erfüllt und den sie erfolgreich ausfüllt.

„Niemand soll mehr eine mangelnde digitale Anbindung beklagen“

„Absolut“, sagt sie. „Abteilungsleiterin im BMWK ist ein sehr spannender Job. Und Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur ist ein anderer sehr spannender Job. Für mich ist er eine neue Herausforderung. Ich kann mich hier weiterentwickeln. Fast 25 Jahre war ich in verschiedenen Rollen und Funktionen im BMWK tätig. Ich habe daran mitgewirkt, Gesetze und Verordnungen zu erarbeiten, zum Beispiel den AI Act und den Data Act. Es reizt mich, jetzt einmal für die Um- und Durchsetzung der rechtlichen Regeln verantwortlich zu sein.“

Daniela Brönstrup hat auffällige Augen. Sie blicken ihren Gegenüber sehr aufmerksam an. Wenn sie spricht, wirkt es als müsste sie kaum über ihre Worte nachdenken. Sie ist schon lange im Geschäft. Die Aufgabe, die vor ihr liegt, hat sie längst in ihren konzentrierten Blick genommen. „Der Telekommunikationsmarkt ist im Umbruch. Die Bundesnetzagentur entwickelt sich in diesem Bereich zu einer Digitalagentur. Diese Entwicklung möchte ich mitgestalten.“

Aber die 51jährige hat noch mehr Themen auf dem Zettel. „Die Migration vom herkömmlichen Kupferkabel hin zu einer Glasfaserwelt ist ein großes Thema. Deutschland hat lange auf andere Technologien gesetzt und liegt daher im Ausbau und auch in der Nutzung von Glasfaserleitungen international zurück. Den jetzt laufenden Aufholprozess möchte ich bestmöglich unterstützen. Das Gleiche gilt für einen zügigen Mobilfunkausbau. Ich weiß, wie wichtig digitale Konnektivität für wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe ist. Ich möchte, dass in ein paar Jahren niemand mehr über eine mangelnde digitale Anbindung klagen muss.“

Der Eisenbahn-Sektor wird ebenfalls in ihrer Verantwortung liegen. Ihre Gedanken dazu: „Als Ökonomin bin ich überzeugt, dass Wettbewerb zu besseren Ergebnissen für die Verbraucherinnen und Verbraucher führt – und zu mehr Innovation. Dafür will ich mich einsetzen. Das ist übrigens auch in meinem sehr eigenen Interesse, weil ich künftig sehr viel mit der Bahn unterwegs sein werde.“

Gestalten statt ausführen

Als Vizepräsidentin wird Daniela Brönstrup für die Digitalisierung zuständig sein. Hier hat die Behörde eine große neue Aufgabe hinzubekommen: Das Digitale-Dienste-Gesetz hat sie zum DSC gemacht, zum Digital Services Coordinator. Diese Rolle versetzt die Netzagentur in die Lage, dafür zu sorgen, dass Plattformen bei Fake News, Desinformation oder Hassrede wirkungsvoll einschreiten.

„Unsere Demokratie ist gerade sehr herausgefordert“, sagt sie. „Russland hat die Ukraine angegriffen und bedroht damit die Freiheit ganz Europas. Von innen haben wir es mit Parteien zu tun, die spalten statt zu integrieren. Wenn wir jetzt also an die Plattformregulierung denken, gerade vor den Wahlen, sehe ich auch die Bundesnetzagentur in der Verantwortung. Hass, Hetze und Manipulationen im digitalen Raum, die Werte wie Meinungsfreiheit systematisch bedrohen, müssen genauso verfolgt werden wie in der analogen Welt.“ Um diese Aufgabe erfüllen zu können, verspricht sie, wird sie sich dafür einsetzen, ausreichend Personal zu bekommen.

Erst vor wenigen Tagen haben alle EU-Mitgliedsstaaten den AI-Act endgültig verabschiedet, die Verordnung zur Künstlichen Intelligenz. Brönstrup hat ihn in Brüssel für Deutschland mitverhandelt. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das wichtig und gut war, um Vertrauen zu schaffen. Viele Menschen haben Angst vor der neuen Technologie. Das ist verständlich. Sie entwickelt sich in einer unglaublichen Dynamik. Ich sehe Künstliche Intelligenz aber als eine große Chance.“

Um Vertrauen zu schaffen, führt Brönstrup weiter aus, brauche es einen verlässlichen Rechtsrahmen. Die neue Technologie müsse sich in der Breite durchsetzen, anstatt nur von Wenigen genutzt zu werden. Jetzt komme es darauf an, den Rechtsrahmen in unserem Land innovationsfreundlich umzusetzen. Das heißt: bürokratiearm und einheitlich in Europa.

Die promovierte Ökonomin möchte gestalten. Das betont sie immer wieder. Sie betrachtet ihre neue Arbeitgeberin nicht als ausführende Behörde. Durch die Expertise der Mitarbeitenden sei die Bundesnetzagentur eine gefragte Gesprächspartnerin im politischen Berlin.

„Alle Ideen zu mir, bitte“

Über Digitalisierung redet Brönstrup gern. Doch was ist das überhaupt? WLAN für alle? Pdf-Dokumente statt Papierausdrucke? „Das ist zu kurz gegriffen“, sagt sie und lacht. Während des Gesprächs ist ihr Ausdruck freundlich und verbindlich. Und wenn sie lacht, lacht der ganze Mensch. Kurz, dann wieder zur Sache: „Bei der Digitalisierung geht es für mich um effiziente Prozesse. Wir müssen sie zum Nutzen der Menschen einsetzen. Sie hat keinen Selbstzweck. Und nichts ist schrecklicher als ein Prozess, der durch Digitalisierung komplizierter wird. Digital bedeutet: einfach zugänglich, sofort verständlich. Der Nutzen muss sich gleich erschließen.“

Dazu hätten im Haus bestimmt Viele etwas zu sagen. Beschäftigte, die an Vorgängen verzweifeln. Die Vorschläge hätten, wie etwas zu verbessern wäre, weil sie jeden Tag an Grenzen stoßen, obwohl die ja gerade durch die Digitalisierung fallen sollen. Brönstrup nickt nachdenklich. „Ich komme von außen in diese große Organisation. Es wäre der größte Fehler, die Schwarmintelligenz in der Behörde zu unterschätzen. Ich möchte die Mitarbeitenden ausdrücklich ermutigen, ihre Ideen zu äußern. Alle, nicht nur die auf der Führungsebene.“

Nach dem Abitur war Daniela Brönstrup auf der Kölner Journalistenschule, hat auch als Journalistin gearbeitet. Studium der Volkswirtschaftslehre, ein Jahr davon in Paris. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin und hat promoviert. Warum ist sie nicht Chefredakteurin geworden oder Professorin? Mit ihren Sprachkenntnissen und ihren vielfältigen politischen Interessen hätte sie auch bei internationalen Thinktanks anheuern können. Wie kam es so wie es gekommen ist? Auf diese Frage ist sie vorbereitet. Es sei eine lange Geschichte toller Chancen gewesen, sagt sie. Während ihrer Promotion sei ihr klar geworden, dass sie nicht in der Wissenschaft bleiben wolle.

„Irgendwann stand ich vor der Wahl: Journalistin in Frankfurt oder Referentin im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin. Ich fand Berlin cooler und außerdem war es etwas ganz Neues. Als Journalistin hatte ich schon während des Studiums gearbeitet, aber mich interessierte, wie es im Innenleben einer Bundesverwaltung zugeht. Also habe ich einen Vertrag als Angestellte unterschrieben. Beamtin auf Lebenszeit zu werden war nicht das Ziel. Damals hätte ich mir auch eine Rückkehr in den Journalismus vorstellen können. Aber dann hatte ich einen tollen Einstieg und nach gut zwei Jahren die Chance, in den Leitungsbereich zu wechseln. Mit dem Glück, immer wieder spannende Aufgaben machen zu dürfen, bin ich nun in der Bundesnetzagentur angekommen – und wieder im Rheinland, worüber ich mich sehr freue.“ Die einzelnen Stationen ihrer Karriere würden den Rahmen dieses Textes sprengen. Sie sind leicht nachzulesen.

Modernes Arbeiten bedeutet Flexibilität

Außerdem hat sie drei Kinder bekommen. Sie sind jetzt 12, 17 und 19 Jahre alt. Wird sie, darauf angesprochen, vielleicht jetzt mal etwas zum Thema Stress und Doppelbelastung sagen? Aber nein. Nach der Geburt des ersten Kindes hat sie nach dem Mutterschutz noch vier Wochen Urlaub genommen. Anschließend hat ihr Mann die Babybetreuung übernommen und kam zur Stillpause ins Büro. „Meine Kinder waren immer mein Hobby. Meine freie Zeit habe ich am liebsten mit der Familie verbracht. Ich bin froh, dass meine Kinder immer noch gern mit uns in den Urlaub fahren.“ Das klingt so leicht. Andere berufstätige Mütter haben die so genannte Vereinbarkeit wahrscheinlich als schwerer empfunden.

„Es war auch nicht immer leicht, aber warum reden wir nicht über berufstätige Väter?“, fragt sie. „Modernes Arbeiten bedeutet für mich Flexibilität aller Beteiligten. Das ist für mich die Grundvoraussetzung dafür, dass Elternschaft und Beruf vereinbar sind. In einer modernen Arbeitswelt sollte das gar kein Thema mehr sein. Eine gute Infrastruktur bei der Kinderbetreuung. Arbeitgeber, die die Unvorhersehbarkeiten auffangen, die Familie bedeutet.“

Die Bundesnetzagentur ist eine große Behörde mit 3.000 Beschäftigten, fast 50 Standorten und zahllosen Themen. In diesen Kosmos tritt Brönstrup nun ein. Wie wird sie es anstellen, sich mit dem Haus vertraut zu machen? „Ich kenne und schätze aus meiner bisherigen Tätigkeit die Kolleginnen und Kollegen und ihre Arbeit ja zum Teil schon. Mir ist wichtig, jetzt schnell alle besser kennenzulernen und tiefer in die Aufgaben einzusteigen. Mein Büro und das Präsidiumsteam hat mich schon ganz hervorragend an Bord geholt hat. Ich habe sie gebeten, Termine mit den Abteilungen und Beschlusskammern zu machen. Wichtig ist mir dabei auch, die Standorte zu besuchen. Alle auf einmal werde ich nicht schaffen. Als erstes habe ich Mainz und Cottbus geplant. Dann setze ich natürlich auf Karneval, das Sommerfest, die Weihnachtsfeier. Menschen zu treffen außerhalb der offiziellen Termine – unbezahlbar.“

Die neue Vizepräsidentin hat schon eine Wohnung in Bonn gefunden. Sie wird hier arbeiten und leben. Ihr Job wird sie herausfordern; aber das ist sie ja gewohnt. Zum Ausgleich wird sie sich ihrer Familie widmen. Oder Sport treiben. „Meine bevorzugten Sportarten haben sich im Laufe der Zeit verändert. Ich bin vom Windsurfing zum Stand-up Paddeling und vom Langstreckenlauf zum Wandern und Nordic Walken übergegangen. Der Gipfel der Entspannung aber ist Lesen im Urlaub. Und wenn ich gute Krimis oder Romane mit historischem Hintergrund in die Finger bekomme, dann kann ich auch schon mal jedes Zeitmanagement vergessen.“

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