Interview: "Wir werden nicht still sein."
Klaus Müller im Gespräch.
Sie waren 16 Jahre dem Verbraucherschutz verpflichtet. Erst in NRW, seit 2014 als Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Ihre Themen waren unter anderem Rentengerechtigkeit, Lebensmittelpreise oder die Erstattung ausgefallener Flugreisen. Warum sind Sie jetzt der richtige Mann, um Präsident der Bundesnetzagentur zu werden?
Müller: "Weil mich auch die unerlaubte Telefonwerbung, Qualität und Preise von Mobilfunk- oder Internetverträgen, die Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien, das Leid der Stromsperren, Portoerhöhungen und immer auch das Bahnangebot als Verbraucherschützer begleitet haben. Für mich sind Wettbewerb und faire Marktbedingungen die Schwestern des Verbraucherschutzes. Da haben wir als Verbraucherzentrale immer mit einem bewundernden Blick auf die Bundesnetzagentur geschaut. Zivilgesellschaftlicher Verbraucherschutz hat seine Rolle und behördlicher Verbraucherschutz genauso. Ich glaube, beide können sich richtig gut ergänzen. Ich bringe einiges an Erfahrung und Überzeugungen aus dem politischen Raum mit, dazu Kenntnisse des Personal-, Haushalts- und Vergaberechts. Wer acht Jahre lang die Strenge eines Justizministeriums genossen hat, den kann nur noch wenig überraschen."
Ihr Vorgänger Jochen Homann hat damit begonnen, die Regulierungsbehörde als Verbraucherschutzagentur neu zu positionieren. Welche Themen wollen Sie stärker in den Fokus rücken, um diesen Weg auszubauen?
Müller: "Damit hatte Herr Homann absolut recht. Ich glaube, das ist genau das, was die Menschen und auch die Politik von der Bundesnetzagentur erwarten und erwarten können. Die Themen liegen schlicht auf der Straße: eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, ohne dass einzelne Anbieter Menschen oder Unternehmen mit unberechtigten Forderungen überziehen. Noch ein Thema: Unser Alltag ist durchdigitalisiert. Aber ohne eine effiziente Regulierung werden nicht alle davon profitieren. Ganz generell gilt: Netzgebundene Märkte haben immer eine Tendenz zu Monopolen. Die Kolleginnen und Kollegen vom Bundeskartellamt haben die Aufgabe, die im Nachhinein zu beseitigen. Die Aufgabe der Bundesnetzagentur ist, schädliche Auswirkungen eines Marktversagens präventiv zu verhindern. Dabei werden wir es nie allen recht machen können, weil immer jemand an jemand anderem verdienen möchte – und zwar so viel wie möglich. Deshalb glaube ich, dass der bisher eingeschlagene Weg der richtige ist. Wir müssen hart am Wind, an den Themen der Zeit segeln. Wichtig ist das, was die Menschen und Unternehmen umtreibt. Ich freue mich, mit meinen neuen Kolleginnen und Kollegen zusammen zu erarbeiten, wie wir das genau machen."
In der Vergangenheit haben Sie oft betont, wie wichtig Ihnen Klimaschutz und Energiewende sind. Wie können Sie in der Bundesnetzagentur dazu beitragen, beides voranzubringen?
Müller: "Ganz aktuell sind jetzt der Bundestag und die Bundesregierung gefragt, mit dem Oster- und Sommerpaket noch bessere Weichen zu stellen (Die Koalition hat angekündigt, zahlreiche Maßnahmen in allen Sektoren auf den Weg zu bringen, um wieder auf den Pfad der Klimaneutralität bis 2045 zu kommen, Anmerkung der Redaktion). In diesem Rahmen wird sich dann die Bundesnetzagentur bewegen. Die Erwartungen sind glasklar: Wir wollen alle schneller werden. Das gilt für uns als Regulierungsbehörde, aber auch für die Unternehmen, sogar für die Gerichte. Die Zeit für einen effektiven und bezahlbaren Klimaschutz läuft uns davon. Die Ampelkoalition hat sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Für die Bundesnetzagentur bedeutet das, beim Stromnetzausbau, beim Marktdesign mit Blick auf Klimaneutralität und Kosteneffizienz und auch bei der Wasserstoffwirtschaft unseren Teil dazu beizutragen. Mir ist wichtig: Wo uns das nicht optimal möglich ist, werden wir nicht still sein, sondern sehr klar sagen, wie die Politik unser Wirken verbessern könnte."
Sie glauben also, dass die Bundesnetzagentur auch selber Akzente setzen kann und nicht nur ausführendes Organ ist?
Müller: "Absolut. Die Erwartung der Minister Habeck und Wissing (Die Bundesnetzagentur liegt im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, das Robert Habeck führt, und des Ministeriums für Digitales und Verkehr, dem Volker Wissing vorsteht, Anm. d. Red.) ist nicht, dass die Bundesnetzagentur nach Buchstaben und Komma ein Programm abarbeitet. Ihre Aufgabe ist, ganz klar darauf hinzuweisen, wenn es effizienter, besser und nachhaltiger gehen kann. Das ist auch mein Verständnis einer modernen Agentur."
Das klingt nach Politikberatung.
Müller: "Natürlich, gar keine Frage. Bei uns liegt die Expertise, was vor Ort möglich ist. Ob in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern der Stromtrassenausbau klemmt; ob das Marktdesign Süddeutschland oder Ostdeutschland behindert oder bevorzugt – das erfährt Berlin durch unsere Hinweise. Wir haben die ganz wichtige Rolle, Seismograph für Probleme zu sein. Wenn das Problem erstmal da ist, dann ist es für die Bundesregierung extrem mühselig, umzusteuern und die Fehler wieder auszubügeln. Darum haben wir die präventive Aufgabe, zu einer klugen Politik und ihrer Umsetzung beizutragen."
In den Jahren Ihrer Präsidentschaft wird ein Thema ganz weit oben stehen, das wir nun schon ein paar Mal gestreift haben: die Digitalisierung. Ein riesiger Prozess, der schon lange läuft, in dem aber noch ganz viel passieren muss. Das ist politischer und gesellschaftlicher Konsens. Die Bundesnetzagentur hat hier eine wichtige Aufgabe. Welches Ziel steuern Sie in dem Zusammenhang an?
Müller: "Die Bundesnetzagentur ist im Zweifelsfall immer die Hüterin über knappe Güter. Die Frequenzvergabe wird uns intensiv beschäftigen. Das Haus hat sehr viel Erfahrung damit. Ein guter Wettbewerb, der gesellschaftliche Ansprüche austariert, ist unsere herausragende Aufgabe. Auch hier erwartet die Bundesregierung beschleunigte Prozesse, aber genauso Gerechtigkeit im Einzelfall, dafür gibt es unsere Schlichtungsangebote. Beides gehört für mich zusammen. Wir werden auch künftige Herausforderungen wie die faire, effiziente, wettbewerbsorientierte Regulierung der Plattformökonomie im Blick behalten."
Sie hatten Ihren Lebensmittelpunkt nun lange Jahre in Berlin. Jetzt werden Sie umziehen. Was verbinden Sie mit Bonn?
Müller: "Als junger Bundestagsabgeordneter habe ich 1998/99 im Tulpenfeld mein Büro gehabt. Zuvor hatte ich schon meinen Zivildienst in Bonn Poppelsdorf bei einem internationalen Freiwilligendienst abgeleistet. Mit Bonn verbinde ich tolle Erinnerungen: Kirschblütenfest, Sommerabende im Biergarten, Fahrradtouren im Siebengebirge. Meine beiden Töchter leben in Düsseldorf. Das bedeutet einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität. Die letzten acht Jahre musste ich pendeln; das hat zum Glück nun ein Ende. Deshalb freue ich mich nicht nur auf den beruflichen, sondern auch auf den privaten Wechsel von der Spree an den Rhein."
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