Ohne Vertrauen keine Energiewende
vzbv und Bundesnetzagentur weisen auf Chancen und Risiken des Energiemarkts für Verbraucher hin
Ausgabejahr 2013
Erscheinungsdatum 18.02.2013
An der Börse sinken die Strompreise, aber für Haushaltskunden steigen sie. Und obwohl Kunden durch den Wechsel zu einem günstigeren Anbieter sparen könnten, wechseln viele nicht. Der Wettbewerb am Strom- und Gasmarkt und die steigenden Energiepreise sind heute Thema auf der Veranstaltung "Energiemarkt im Wandel" des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) und der Bundesnetzagentur.
Etwa 40 Prozent der Verbraucher verharren bei ihrem lokalen, meist teuren Grundversorger. Aus Sicht des vzbv ist ein Grund dafür die Angst vor unseriösen Anbietern. "Selbst wenn die Insolvenzgefahr eines Anbieters bereits bekannt ist, werden Neukunden mit Dumpingpreisen gelockt und zur Vorkasse verpflichtet"
, sagt vzbv-Vorstand Gerd Billen. "Damit der Wechsel zu einem günstigeren Anbieter nicht zu einem Risiko wird, brauchen Kunden mehr Transparenz. Schwarze Schafe müssen klar benannt und vom Markt ausgeschlossen werden."
Nur wenn der Verbraucher schnell und verlässlich die Qualität seines Versorgers einschätzen kann, könne sich ein fairer Preiswettbewerb entwickeln und könnten sich die Vorteile des freien Markts für die Endverbraucher auszahlen. Ein funktionierender Wettbewerb, der tendenziell preissenkend wirke, sei gegenwärtig noch nicht erreicht.
Aus Sicht der Bundesnetzagentur waren die Bedingungen noch nie so gut, den Verbraucher zu einem aktiven Teilnehmer am Energiemarkt zu machen. Die Prozesse zum Wechsel des Lieferanten und für dezentrale Erzeugungseinrichtungen sind standardisiert und laufen inzwischen rund. Verbraucher haben mit der Schlichtungsstelle Energie eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, ihre Interessen durchzusetzen. Der Energiepreis ist wesentlicher Treiber für das Verbraucherverhalten, denn mit steigendem Preis steigt auch das Interesse der Kunden an einem Versorgerwechsel. Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur: "Es ist noch nicht alles optimal, aber wir brauchen nicht laufend neue Regelungen, wenn alle Akteure ihre Aufgaben erfüllen und ihre Möglichkeiten wahrnehmen. Das betrifft die Energieberatung, die Schlichtung, die Standardisierung von Verträgen und Prozessen, innovative Dienstleistungen der Lieferanten und guten Rechtsschutz vor Gerichten – auch unterstützt durch Verbraucherverbände."
Auf der heutigen Veranstaltung diskutieren Experten auch über Möglichkeiten des Verbrauchers, Strom selbst zu erzeugen und dezentral zu nutzen. vzbv und Bundesnetzagentur werben gemeinsam dafür, bei der Entwicklung des sog. "Smarten Energiemarkts" nach der Wertschöpfung für Kunden und Verbraucher zu suchen. Durchsetzen würden sich nur die Produkte, die dem Verbraucher einen wirklichen Nutzen liefern und denen er vertrauen kann.
Für die Verteilnetze fordert der vzbv eine verschärfte Regulierung mit erhöhten Effizienzanforderungen in den Bestandsnetzen sowie eine Abschaffung der sogenannten De-minimis-Regel an, die kleinere Netzbetreiber vor hohen Effizienzanforderungen schützt. Dadurch sind nach Ansicht des vzbv erhebliche Kostensenkungen im Milliardenbereich möglich. vzbv–Chef Billen: "Ausreichend sind 25 bis 40 regionale Netzbetreiber, denen gleichzeitig die Systemverantwortung für ihr Gebiet übertragen wird. Dadurch könnte zugleich eine Reduzierung des Netzausbaubedarfs auch auf der überregionalen Ebene erreicht werden."
Die Bundesnetzagentur machte deutlich, dass es problematisch sei, eine solche Strukturänderung hoheitlich zu verordnen. Aber die Rahmenbedingungen müssten so geändert werden, dass sie keine Anreize mehr zur Schaffung ineffizienter Strukturen setzen. Die große Zahl der Netzbetreiber in Deutschland sei auch ein Thema für den Wettbewerb. Homann: "Die große Zahl der Netzbetreiber in Deutschland und die bislang fehlende Standardisierung von Netzzugangsverträgen im Strombereich stellen sich als ein wesentlicher Kostentreiber für Lieferanten dar. Ein bundesweiter Anbieter von Strom muss derzeit über 800 Lieferantenrahmenverträge abschließen. Wenn die Stromverbände nicht verbindlichere Vorgaben schaffen, wird die Bundesnetzagentur das aufgreifen müssen. Eine privatwirtschaftliche Lösung würde die Behörde aber bevorzugen. Die Kooperationsvereinbarung Gas gibt hier ein gutes Beispiel ab."
Einig ist man sich in der Notwendigkeit, die Netzentgeltsystematik im Hinblick auf die vermiedenen Netzentgelte und der gleichmäßigen Beteiligung aller Netznutzer an den Netzkosten zu prüfen. Jeder, der sich auf die Sicherheit und Qualität des Energieversorgungsnetzes verlässt, müsse sich an den Kosten auch angemessen beteiligen, so Bundesnetzagentur und vzbv. Dies ist bei zunehmender dezentraler Erzeugung nicht mehr gewährleistet, denn für eigenverbrauchte Mengen zahlt man keine Netzentgelte, für die Einspeisung ins Netz auch nicht. Der vzbv fordert, im Zuge der Revision der Offshore-Planungen die Offshore-Umlage zu prüfen sowie die Befreiungstatbestände für vermiedene Netzentgelte auf diejenigen Fälle zu beschränken, in den eine tatsächliche Entlastungswirkung nachgewiesen werden kann.